Shitstorm:Wider den Mob

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Französische Medien solidarisieren sich mit der Journalistin Nadia Daam. Seit sie in einer Kolumne Aktivisten eines Internetforums die "geistige Reife von Embryos" bescheinigt hat, wird sie beschimpft und angefeindet.

Von Joseph Hanimann

Es hätte eine der üblichen Schmutzfluten sein können, die im nervösen Internet so schnell kommen, wie sie dann auch wieder verebben. Die Reaktionen auf die Radiokolumne der französischen Journalistin Nadia Daam auf Europe 1 hielten aber an und ließen eine Strategie vermuten. Mit massiven sexistischen Beschimpfungen, Gewalt- und Morddrohungen haben Anonyme seit vergangenem Mittwoch Daams Accounts im "Forum Blabla 18-25 ans" der Internetseite Jeuxvideo.com, einem Ableger der Mediengruppe Webedia, blockiert. In ihrer Kolumne hatte sie zuvor die Aktivisten dieses Forums, die eine telefonische Anlaufstelle für Opfer sexueller Belästigung lahmgelegt hatten, als "Leute mit der geistigen Reife von Embryos" verspottet, die ihr Hirn doch der Wissenschaft zur Verfügung stellen sollten zur Erforschung, wie man so schwachsinnig sein könne und doch weiterlebe.

In der Nacht zum Donnerstag wurde daraufhin an Nadia Daams Pariser Wohnungstür gepoltert. Die Journalistin ist mit ihrem Kind vorübergehend ausgezogen. Zusammen mit dem Sender Europe 1 hat sie Klage wegen Gewaltandrohung eingereicht und wurde unter Polizeischutz gestellt. Die französische Staatssekretärin für Geschlechtergleichheit, Marlène Schiappa, forderte Twitter und Webedia auf, die über die Plattformen verbreiteten Hasskommentare besser zu kontrollieren, und erinnerte die Netzanbieter an ihre Mitverantwortung für die dort kursierenden Inhalte. Webedia verurteilte die Beschimpfungen, will fortan alle auf die Journalistin bezogenen Kommentare löschen und erklärt sich auch kooperationsbereit für allfällige gerichtliche Schritte zur Identifizierung der Urheber. In den großen französischen Zeitungen, Rundfunksendern und auf Internetseiten ist eine Solidaritätskampagne für die attackierte Kollegin angelaufen. Das spielerische Hin und Her der Meinungen im Freiraum der Diskussionsforen arte manchmal in schieren Hass aus, der nur noch die Grimasse des Spiels trage, schreiben die Unterzeichnenden, doch die anonymen Rüpel müssten wissen, dass Frau Daam nicht allein ist: "Wenn sie nachts an unsere Türen poltern wollen, werden es zahlreiche Türen sein."

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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