Serien-Comeback:Die Wut steht ihm gut

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"Curb Your Enthusiasm" ist nach sechs Jahren Pause zurück - in Trumps USA. Will man heute noch ältere Männer sehen, die Homosexuelle anschreien?

Von Luise Checchin

Sollte man einer lesbischen Frau die Tür aufhalten? In der neunten Staffel von Curb Your Enthusiasm, die diese Woche in den USA und Großbritannien angelaufen ist, stellt Larry David diese Frage nicht nur, er verneint sie auch noch. Die halbstündige erste Folge verbringt dieser drahtige, glatzköpfige Typ außerdem damit, seine kranke Assistentin zu feuern, Witze über Afghanistan-Veteranen zu reißen und eine geopolitische Krise mit Iran auszulösen.

Larry David steht in Curb Your Enthusiasm für einen in Verruf geratenen Typus: den weißen, wütenden, politisch unkorrekten Mann. Spontan fallen einem mehrere Dinge ein, die er mit dem weißen, wütenden, politisch unkorrekten Mann im Weißen Haus gemeinsam hat. Nur warum ist die Wut des einen so erhellend, während die Wut des anderen so beängstigend ist?

Curb Your Enthusiasm erzählt vom Leben des Comedian und Seinfeld-Miterfinders Larry David (gespielt vom Comedian und Seinfeld-Miterfinder Larry David). Der hängt in Los Angeles rum, spielt Golf und trifft sich mit seinen Freunden (darunter die Schauspieler Julia Louis-Dreyfus und Ted Danson). Doch so ereignislos, wie das klingt, ist es nicht, denn der Serien-David besitzt ein großes Talent, die Welt mit (vermeintlichen) Tabubrüchen gegen sich aufzubringen. Die Figur sei eine Version seiner selbst, hat ihr Erfinder mal gesagt, zöge man soziales Bewusstsein und Einfühlungsvermögen ab.

Als David und HBO voriges Jahr überraschend eine neunte Staffel ankündigten (die achte lief 2011), mischte sich in die Begeisterung von Fans und Kritikern schnell auch die Frage, ob Curb Your Enthusiasm noch ins Jahr 2017 passt. Braucht es wirklich eine Serie, in der ein alter weißer Mann Menschen mit Behinderung oder Homosexuelle anschreit? Kann man dafür mittlerweile nicht einfach Nachrichten gucken?

Doch es gibt mindestens zwei fundamentale Unterschiede zwischen dem Wüterich Trump und dem Wüterich David, der ja eigentlich ein misanthropischer, sich ereifernden Grantler ist. Zum einen ist die Figur des Larry David weder homophob noch rassistisch oder frauenfeindlich - auch wenn sie mit diesen Gruppen aneinandergerät. Das hat aber nie etwas mit Vorurteilen zu tun, sondern mit einer - manchmal erhellenden, zumeist auf sehr komische Weise verirrten - persönlichen Logik. Im Fall der lesbischen Frau, der er nicht die Tür aufhält, basiert diese auf der Annahme, dass eine Frau mit Kurzhaarfrisur und Krawatte solche Gentleman-Anwandlungen als Beleidigung auffassen könnte. Er liegt falsch und büßt dafür - wie für seine zahlreichen anderen Fauxpas. Hier liegt der zweite große Unterschied: David verliert ständig. Die Gesellschaft akzeptiert seine egozentrischen, unverschämten Eskapaden nicht. Deswegen ist es merkwürdig beruhigend, heute Curb Your Enthusiasm zu schauen. Die Serie beschwört eine Welt herauf, in der wütende weiße Männer für ihre Tabubrüche nicht im Weißen Haus landen, sondern unter der Dusche vermöbelt werden.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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