Schweizer Initiative:Heikle Geschenke

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In Bern wird über Staatshilfen für Zeitungen diskutiert. Die Debatte richtet sich auch gegen die Medienmacht von Christoph Blocher - und zeigt das ganze Problem von Geldgaben durch die Politik.

Von Charlotte Theile

Für gewöhnlich sind die Sommermonate in der Schweiz eine Zeit, in der eigentlich nur Out-of-Office-Meldungen verschickt werden. Diesmal aber hat sich während der Urlaubswochen einiges getan, zumindest in der Medienlandschaft. Mitte August sorgte Milliardär Christoph Blocher für den ersten Paukenschlag: Die BaZ Holding AG, die die Basler Zeitung herausgibt, kaufte rückwirkend zum Jahresanfang 2017 den in der Deutschschweiz tätigen Zehnder-Verlag. Blocher, der Mitbesitzer der Basler Zeitung ist, erweiterte damit sein Medienimperium um 25 regional erscheinende Gratisblätter und etwa 800 000 Leser. Und auch, wenn der Mann hinter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) sofort erklärte, er verfolge mit der Übernahme keine politischen Ziele, gibt es kaum jemanden, der ihm das glaubt. Zu häufig hat Blocher sein Medienimperium durch Zukäufe erweitert; die politische Richtung der Titel drehte, wie etwa bei der Basler Zeitung, ins Rechtskonservative.

Vorige Woche dann sorgte der Zürcher Medienkonzern Tamedia, mit dessen Aushängeschild, dem Tages-Anzeiger, die Süddeutsche Zeitung zusammenarbeitet, für den nächsten Aufreger: Die über das Land verteilten Redaktionen des Blattes sollen enger verzahnt und aus Kompetenzzentren mit einer Art "Mantelberichterstattung" versorgt werden. "Tamedia-Zeitungen verlieren ihre Eigenständigkeit", titelte das Konkurrenzblatt Neue Zürcher Zeitung und brachte eine Befürchtung auf den Punkt, die viele Beobachter teilen.

An diesem Punkt schaltete sich die Politik ein. Die Schweizer Sozialdemokraten fordern seit Jahren, die staatliche Medienfinanzierung, die sich ähnlich wie in Deutschland auf Radio und Fernsehen erstreckt, auch auf den Print-Markt auszuweiten. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse sind die Sozialdemokraten alarmiert - und präsentieren einen Forderungskatalog, den sie in den kommenden Wochen im Berner Nationalrat einbringen werden. Im Zentrum steht eine Maßnahme, die den schweizerischen Medienmarkt umkrempeln könnte - und auch soll: Eine "staatsferne, unabhängige Journalismusförderung für alle Mediengattungen (Print, TV, Radio und Online)", dazu kurzfristig eine Förderung "qualitativer Onlinemedien". Man könnte auch sagen: öffentlich-rechtliche Zeitungen. Das kommt nicht nur in der eigenen Partei gut an - auch die Grünen unterstützen die Forderung, wie ein erstaunlich wohlwollender Artikel in der bürgerlich-liberalen NZZ am Sonntag illustrierte.

Als Gegenreaktion auf die Zeitungskonzentration entstehen jetzt Crowdfunding-Projekte

Ohnehin ist der Schweizer Zeitungsmarkt seit Jahren in Bewegung: Um Synergien zu schaffen, konzentrierten sich die Titel zunehmend in einigen wenigen Medienhäusern, die wiederum mit anderen Geschäftsmodellen experimentieren, die Internet-Start-ups oder Ticketagenturen besitzen. Gratispublikationen wie die Pendlerzeitung 20 Minuten setzen die etablierten Marken unter Druck. Dazu kommt die Medienmacht von Blocher, der nicht nur die Basler Zeitung, sondern auch die Weltwoche unter SVP-Politiker Roger Köppel hinter sich weiß. Und der in den letzten Jahren versucht hat, sich bei der Boulevardzeitung Blick, der NZZ und anderen Titeln einzukaufen oder zumindest Einfluss zu gewinnen. Eine Gegenreaktion darauf sind Journalismus-Start-ups wie das Crowdfunding-Projekt Republik, das in kürzester Zeit gut drei Millionen Euro einsammelte.

Die Idee von der staatlichen Förderung kommt nicht überall gut an. Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident der Tamedia und Präsident des Branchenverbandes Schweizer Medien, hält nichts davon. Eine der wichtigsten Aufgaben von Zeitungen sei es, "Politik kritisch zu begleiten und auch unabhängig von der politischen Agenda Schwerpunkte zu setzen". Direkte Finanzförderung schaffe aber Abhängigkeiten. Supino fürchtet eine Berichterstattung, die sich eng an staatlichen Institutionen orientiert. Ein Argument, das auch in Deutschland auftaucht, wenn sich Politiker Gedanken darüber machen, wie sie die Zeitungsbranche, die gerade in ländlichen Regionen an sinkenden Verkaufszahlen und Werbeeinnahmen leidet, unterstützen können. Es geht darum, eine kritische Öffentlichkeit zu gewährleisten.

In Mecklenburg-Vorpommern etwa diskutierte der Landtag im Frühjahr 2016, wie man Lokalzeitungen unterstützen könne. Der Hintergrund auch hier: Konzentrationsprozesse, weniger Meinungsvielfalt. Doch anders als die Schweizer Sozialdemokraten, die eine umfassende Medienförderung anstreben, waren sich die Politiker in Schwerin einig: So etwas wie Gebührenfinanzierung stehe nicht zu Debatte.

In Europa gibt es unterschiedliche Ansätze. In Österreich etwa existiert seit 1975 ein Presseförderungsgesetz, das zum Ziel hat, Qualität und Vielfalt des nationalen Zeitungsmarktes zu stärken. Die Medienhäuser können zum Beispiel Ausbildungskosten einreichen und Zuschüsse beantragen. Die Kritik an dem Gesetz ist naheliegend: Es bewirke Hofberichterstattung. Eine andere Form der Förderung ist dagegen in vielen Staaten üblich, auf Zeitungen werden, auch in Deutschland, reduzierte Mehrwertsteuersätze erhoben. Subventionen vom Staat aber hat auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger stets abgelehnt. Viele Länder kennen großzügige Steuerabzugsmöglichkeiten für Journalisten - so auch in Frankreich, wo man zudem wirtschaftlich schwachen Blättern direkt unter die Arme greift.

Doch je konkreter die Förderung wird, desto deutlicher wird auch: Mit der Geldvergabe sind Qualitätsurteile verbunden, Einschätzungen darüber, was guter Journalismus ist und welche Funktion er im Staat haben sollte. Auch die Schweizer Linke macht hier keine Ausnahme. Mit ihren Vorstößen wollen die Sozialdemokraten nicht nur die mediale Vielfalt fördern, sondern auch Christoph Blocher und seine "politischen Kampfblätter" ausbremsen, der "Berlusconisierung" der Schweiz entgegenwirken, wie es in dem Papier heißt.

Das ändert nichts daran, dass die Partei ein wichtiges Thema anspricht. Marc Walder, Chef des Züricher Medienhauses Ringier (Blick), gab gerade dem Handelsblatt ein Interview, das wie ein Echo auf die Schweizer Debatte wirkt. Er prognostiziert eine "heftige Konsolidierungsphase" der Verlagsbranche. Die Pressevielfalt werde "unter die Räder kommen", sagte Walder, die Bedeutung reicher Mäzene weiter zunehmen. Sollte er recht haben, wird die Politik früher oder später eine Haltung dazu finden müssen.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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