Rundfunkfinanzierung:Reformstillstand beendet?

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Ein Wechsel zum Indexmodell erscheint möglich. Doch in den Details wird es kompliziert.

Von Claudia Tieschky

Vorige Woche trug der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm in München vor Journalisten Zahlen vor. Zahlen, die klar machen, worum es geht, wenn die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch in Berlin auch darüber reden, ob die Höhe des Rundfunkbeitrags künftig an einen Index wie den für Verbraucherpreise gekoppelt wird. Wilhelm rechnete vor, dass die verwendbaren Einnahmen der ARD zwischen 2009 und 2017 um 3,1 Prozent gestiegen seien, der Verbraucherindex dagegen um 10,6 Prozent und die rundfunkspezifische Teuerungsrate, ein Spezialindex für die Branche, sogar um 17,6 Prozent. Eigentlich müssten ARD, ZDF und Deutschlandradio nach diesen Zahlen gewaltiges Interesse an einem Systemwechsel haben.

Ein ebenso gewaltiges Interesse würde man bei den Ländern vermuten. Sie sind für die Rundfunkgesetze zuständig und müssen sich - bei dem Vorlauf, den ein Gesetz eben braucht - bis März zum Sprung durchringen, falls 2021 zum ersten Mal eine Beitragserhöhung auf der Grundlage des Index stattfinden soll. Dafür sieht es seit dem Sommer gut aus. Das Modell, das Medienpolitiker aus sechs Bundesländern unterschiedlicher politischer Couleur entwickelten, hat mit beachtlichem Aplomb einen jahrelangen Reformstillstand beendet. Bei den Details wird es kompliziert, aber genau dort wird sich voraussichtlich entscheiden, ob alle Länder zustimmen.

Eine Steigerung nach Index würde die Kosten für den Rundfunk nicht nur automatisch anpassen, sie würde die Finanzen in gewisser Weise auch deckeln. Im bisherigen System der Beitragsfinanzierung beginnt alle vier Jahre mit dem Vorschlag der unabhängigen Expertenkommission KEF eine neue Zeitrechnung. Künftig gäbe es am Anfang einen Basiswert und danach, zumindest grundsätzlich, nur noch den Index. Deshalb kommt dem Basiswert große Bedeutung zu, auch was den Sparzwang bei den Sendern betrifft. Soll er bei 17,50 Euro liegen, dem aktuellen Rundfunkbeitrag? Oder doch nur bei 17,20 Euro? Das ist die Beitragshöhe, die die KEF ab 2017 wegen der Überschüsse aus der Haushaltsabgabe vorgeschlagen hatte. Die Länder aber blieben bei 17,50 Euro, sie wollten den Überschuss lieber nehmen und ansparen, um die Steigerung 2021 abzufedern. Die Frage ist nun, was gelten soll. Im Gespräch ist auch, dass die KEF den Bedarf der Sender noch einmal grundsätzlich prüft und den Basiswert festlegt.

Pflicht wären nur noch das Erste, das ZDF, die Dritten, 3sat und Arte. Der Rest wäre verhandelbar

Bisher melden die Sender einen Finanzbedarf an, den die KEF auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit prüft, mit den Einnahmen verrechnet und so zu einer Beitragsempfehlung kommt. Die Landesparlamente müssen am Ende noch gefragt werden. Ein Gesetz gibt es nur, wenn alle Länder ja sagen. Das aber ist in einigen Ländern alles andere als sicher. Sei es durch den Einfluss politischer Parteien, namentlich der AfD, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich angreifen, sei es, weil ARD, ZDF und Dradio ihr Publikum zu wenig überzeugen, oder auch einfach wegen des Erregungspotenzials, das jeder Beitragserhöhung grundsätzlich eigen ist. Besonders dann, wenn der Beitrag nach vorläufigen Berechnungen der KEF 2021 um etwa zwei Euro pro Monat steigen könnte.

Falls Parlamente nein sagen, wird es schwierig. Das Bundesverfassungsgericht hat 2007 so ein Nein kassiert und sehr enge Kriterien formuliert, wann Länder die KEF-Vorgabe beschneiden dürfen. Eine Wiederholung der Konfrontation will keiner. Der Index wäre da eine Lösung, er würde die Beitragsfindung entpolitisieren. Aber das Gesetz müsste bei diesem Modell auch sicherstellen, dass der Rundfunk staatsfern bleibt und die Sender weder über- noch unterfinanziert werden. Diese Finanzprüfung wäre dann die neue Rolle der KEF.

Der Clou am Indexmodell und ein großes Wagnis betrifft die Inhalte. Heute schreiben die Länder vor, welche Programme die Anstalten betreiben müssen. Im Plan der sechs Länder aber wären Pflicht nur das Erste, die Dritten, das ZDF, 3sat und Arte. Spartenprogramme etwa könnten die Sender mit Erlaubnis der Gremien nur noch im Digitalen anbieten oder ganz sein lassen, bei gleicher Finanzierung, solange sie ihren Auftrag erfüllen. Diese öffentlich-rechtliche Aufgabe wollen die Länder im Gegenzug genauer im Gesetz formulieren. Die Lesart, dass die Unterhaltung dabei gestrichen werden soll, sorgte für Aufregung, soll aber nach Auskunft von mehreren mit der Sache Vertrauten vom Tisch sein. Interessant ist auch: Ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Hubertus Gersdorf für die AG DOK kam im Oktober zu dem Ergebnis, dass die Länder bei so einer Auftragsschärfung sogar Vorgaben bei Sendezeiten für Information und Bildung machen können. Vor der Formulierung eines öffentlich-rechtlichen Auftrags im Gesetz müssten sich die Länder wohl über die angestrebte Detailtiefe einigen.

Wohin sich ein Sender entwickelt, läge aber künftig entscheidend bei den Gremien. Das sind oft Politiker, Funktionäre gesellschaftlicher Gruppen, aber auch ehrenamtlich Tätige. Wären sie mit der Verantwortung überfordert? In München saß neben Ulrich Wilhelm auch der Chef der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz, Prälat Lorenz Wolf. Der wundert sich dieser Tage. Er sagte, die Politik mache nach seiner Wahrnehmung Anstalten, den Auftrag den Gremien zuzuschieben, "aber das ist nicht unsere Aufgabe". Die öffentlich-rechtlichen Sender seien plötzlich konfrontiert damit, "dass wir behandelt werden wie ein Konzern".

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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