Rundfunkabgabe:Schweizer Stimmung

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Für die einen steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk für Medienvielfalt und Meinungsfreiheit. Andere haben ihre eigenen Medien. Die Schweiz könnte nach der Volksabstimmung über die Rundfunkabgabe zum Präzedenzfall werden.

Von Charlotte Theile

Im März 2018 werden die Schweizer über eine Initiative abstimmen, die das Land für immer verändern könnte. Ein Komitee, das der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) nahe steht, will die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Die Initiative richtet sich damit gegen das Schweizer Radio und Fernsehen, das in allen vier Schweizer Sprachgebieten eigene Kanäle anbietet. Derzeit zahlen die an hohe Preise gewöhnten Schweizer dafür 450 Franken jährlich, was etwa 390 Euro entspricht und einem monatlichen Beitrag von 32,50 Euro (in Deutschland sind es 17,50 Euro). Ohne diese Gebühren müsste das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) den Betrieb nach eigener Auskunft einstellen. Der Vorstoß galt zunächst als chancenlos - doch jüngste Umfragen weisen in eine andere Richtung. Mehr als 50 Prozent der Befragten sind für "No Billag", wie die Initiative in Anlehnung an die Schweizer Gebühren heißt.

Im Tessin ist die SRG der größte Arbeitgeber

Einer der Hauptvorwürfe an die öffentlich-rechtlichen Sender lautet, sie seien "zu links". SVP-Parteistratege Christoph Blocher, der zahlreiche Zeitungen besitzt, hat angekündigt, für die Initiative stimmen zu wollen. Seine Tochter, die inzwischen im Berner Nationalrat sitzt, sagt das Gleiche. Die Partei insgesamt dagegen ist noch nicht ganz auf Linie. Einige SVP-Politiker setzen sich sogar aktiv gegen den Vorstoß ein. Zum Beispiel, weil sie um die gute Sportberichterstattung fürchten oder gar den Zusammenhalt des Landes in Gefahr sehen. Der Rundfunk subventioniert die sprachlichen Minderheiten. Im italienischsprachigen Tessin etwa ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit mehr als 1000 Angestellten einer der größten Arbeitgeber - Norman Gobbi, Staatsrat der rechtsnationalen Lega Nord, kündigte an, gegen die Abschaffung der Gebühren zu stimmen.

Dass eine Abstimmung Monate im Voraus für Schlagzeilen sorgt, ist ungewöhnlich. Doch im Fall von "No Billag" kommt vieles zusammen. Die Unzufriedenheit mancher Bürger, die das Angebot von SRF nicht nutzen und dennoch zahlen müssen. Die Debatte um Fake News und zu große Staatsnähe. Der Vorwurf von rechts, man werde nicht fair behandelt. Und auf der anderen Seite: ein Apparat von Journalisten, die mit einer solch geballten Kritik kaum umgehen können und zunehmend nervös auf die Sendungen verweisen, die einst zur DNA der Schweiz gehören: Die Tagesschau. Die Regionalsendungen, draußen auf dem Land ( SRF bi de Lüt). Die Volksmusik. Die Live-Übertragungen von Roger Federers Tennis-Spielen. Das soll alles wegfallen? Viele, die planen, mit Ja zu stimmen, finden: Man müsse eben effizienter werden. Die beliebten Flaggschiff-Sendungen würden sich weiter rechnen.

Diese Positionen sind weit verbreitet. Schon 2015 gewann der Rundfunk nur äußerst knapp eine Abstimmung über den Übergang zur Haushaltsabgabe. Wie in Deutschland soll ab 2019 jeder Haushalt eine automatische Abgabe zahlen. Wenn es die Gebühr dann noch gibt, versteht sich. Staatlich geförderte Medien stehen auch in anderen Ländern unter Druck. Die Konfliktlinien gleichen sich. Für die Linken sind sie der Garant für Meinungsfreiheit und Medienvielfalt, die Rechten betrachten sie nicht selten als natürlichen Feind. Die Schweiz, in der rechtskonservative Milliardäre wie Christoph Blocher mit Erfolg eigene Medien etabliert haben, könnte zum Präzedenzfall werden. Auch wegen der Vielsprachigkeit hatte lange niemand damit gerechnet, dass ein Angriff auf das Schweizer Radio und Fernsehen Erfolg haben könnte. Inzwischen ist klar: Alles ist möglich. Und: Was auch immer im März passiert, dürfte weit über die Schweiz hinaus weisen.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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