"Rolling Stone"-Artikel:Freigabe vom Drogenboss

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Penn (links) bei dem Treffen mit dem mexikanischen Drogenboss. (Foto: Reuters/Rolling Stone)

Nach heftiger Kritik: Hobbyjournalist Sean Penn fühlt sich missverstanden.

Von Hakan Tanriverdi

Sean Penn denkt, dass er versagt hat. "Mein Artikel über El Chapo ist gescheitert", sagte er am Sonntag im Interview in der Sendung 60 Minutes auf CBS. Versagt habe Sean Penn in erster Linie, weil alle Welt ihn missverstanden habe - nicht etwa, weil die Kritik an seinem Artikel im Rolling Stone berechtigt sei.

Der Schauspieler und selbsternannte "experimentelle Journalist" (2008 interviewte er schon den kubanischen Präsidenten Raúl Castro) wollte mit seinem Besuch bei Drogenboss Joaquín "El Chapo" Guzmán und anschließendem Artikel eine Debatte über den "War on Drugs" anzetteln, den Krieg gegen die Drogen. Und es wurde auch heftig debattiert - allerdings in erster Linie über Penns Umgang mit Guzmán.

Vor allem mexikanische Journalisten haben Penn vorgeworfen, dass dieser eine Homestory über den Drogenboss abgeliefert habe. Die Fragen, die er gestellt habe, seien uninteressant, sagte etwa Adela Navarro, Chefredakteurin des Magazins Zeta. "Wir wollen wissen, wen er bezahlt hat, um zu fliehen, wer in der Regierung und welche großen Firmen ihm bei der Geldwäsche helfen. Wie viele Leute er hat umbringen lassen."

Dass Penn eine Antwort auf diese Fragen haben könnte, wird in dem Artikel angedeutet. An einer Stelle heißt es, dass Guzmán freimütig über korrupte Firmen in Mexiko und andernorts rede. Penn darf die Namen aber nicht nennen.

Penn hatte es Guzmán außerdem erlaubt, den Artikel vorab in Gänze zu lesen und abzunicken. Dies wurde als "unentschuldbar" kritisiert, da eine Quelle - in diesem Fall ein Drogenboss - den Ausgang einer Geschichte schlicht bestimmen könne. Im Interview bestätigt der 55-Jährige das Vorgehen und sagt: "Hätte er 'Nein' gesagt, wäre keinem Leser etwas zuleide getan."

Penn findet, die Kritik an seinem Artikel gehe an der Sache vorbei. "Alle eure Kinder nehmen diese Drogen, alle eure Brüder, Schwestern, Vater, Mütter und Lehrer in der Schule." Alle Menschen in den USA wollen, dass der Drogenkrieg aufhöre. Doch wie viel Prozent der Zeit sei in der vergangenen Woche über dieses Thema geredet worden, fragt Penn weiter. Ein Prozent sei ihm zufolge noch eine großzügige Schätzung. Interessant daran: Der Drogenkrieg in den USA spielt in Penns Text selbst auch nicht die größte Rolle.

Der Artikel ist ein Werkstattbericht. Der Schauspieler erzählt, welche Vorkehrungen er treffen musste, bevor er Guzmán sehen durfte. Am Ende musste Penn seine Fragen per Handy stellen, da ein zweiter Interviewtermin platzte - Guzmán musste zwischenzeitlich fliehen (und wurde später festgenommen).

Penn betont, seine Aktion nicht zu bereuen. Er habe versucht, den Lesern eine Person vorzustellen, an die man nicht so einfach herankomme, um anschließend über das Drogenproblem zu reden. Dass das nicht geklappt habe, zeige für ihn, wie schlecht es um den Journalismus in den USA bestellt sei.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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