Rezension:"Die sexuelle Stimmung ist verflogen"

Lesezeit: 2 Min.

In ihrer Sketchcomedy-Serie nimmt die Schauspielerin Maren Kroymann klug und sehr zeitgemäß Geschlechterklischees auseinander.

Von Christoph Fuchs

Die Frage, ob und wie man den Erkenntnissen der vergangenen Monate über sexuellen Missbrauch wider Erwarten vielleicht doch heitere Töne abgewinnen kann, beschäftigt gerade nicht nur Hollywood angesichts der nahenden Oscar-Verleihung vor dezimierten Schauspieler-Reihen. Dass das geht, zeigt am Donnerstag im Ersten die Sketchcomedy Kroymann. Sie hält den männlichen "Ich weiß gar nicht mehr, was ich jetzt noch machen darf"-Rufern die Rudolph-Methode entgegen, benannt nach Claude-Oliver Rudolph.

Der Parade-Bösewicht der deutschen Filmbranche ist die Lösung. Er könne den Männern dabei helfen, verwirrende Alltagssituationen richtig zu bewerten, rät Maren Kroymann in bester Telekolleg-Manier. Zum Beispiel: Die attraktive Kollegin trägt im Büro den Quartalsbericht vor. Einerseits natürlich ein beruflicher Termin, andererseits aber, denkt der Mann, hat sie doch erst kürzlich über meinen Witz gelacht. Hat sie womöglich sexuelles Interesse? Ist es Zeit für ein doppeldeutiges Kompliment für die enge Hose? Da kommt Rudolph ins Spiel: In ihrem Verhaltensratgeber schlägt Kroymann vor, der Mann solle die Arbeitskollegin einfach gedanklich durch den Schauspieler mit besonderen Qualitäten fürs Grobe ersetzen. "Und siehe da: Die sexuelle Stimmung ist verflogen."

Ein Sketch aus der zweiten Folge des 30-Minuten-Formats. Der Erstling lief vor einem knappen Jahr und wurde gerade für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Darin widmete sich die Schauspielerin und Satirikerin Maren Kroymann, unterstützt von Kolleginnen und Kollegen wie Annette Frier, ebenso klug wie witzig den Geschlechterrollen und der im Ersten bestens aufgehobenen Frage, ab wann man alt ist und wie man damit umgeht. Diesmal singt Kroymann unter anderem auch davon, wie es Kindern Facebook versaut, wenn die Eltern da auch sind. Vor allem aber gibt es deutliche Kommentare zum Fall Weinstein und der Lebensrealität von Frauen insgesamt: Kroymann sitzt in einer recht männlich besetzten Talkshow zum "Leben als Frau im Filmgeschäft". Der Moderator fragt, "was denn eine Maren Kroymann dazu denkt". Es antwortet - ihr Sitznachbar: "Ich glaube, Frau Kroymann denkt dazu Folgendes."

Das ist aktuell, man will mehr davon. Und wird fündig, wenn man im Youtube-Archiv über 20 Jahre in die Vergangenheit schaut. Dort finden sich Ausschnitte der Sketchserie Nachtschwester Kroymann (ARD), die es locker mit der Rudolph-Methode aufnehmen können. Damals sei das als Frauensache abgetan worden, hat Kroymann kürzlich berichtet. Sie empfinde "eine gewisse Genugtuung, dass das jetzt als gesellschaftliches Thema anerkannt wird." Keine Pointe.

Kroymann , Das Erste, 23.30 Uhr.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: