Radio:Verliebte Salonlöwen

Den vierten Band seines Zyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" nannte Marcel Proust "Sodom und Gomorrha": Daraus schuf die Regisseurin Iris Drögekamp ein Hörspiel über die Untiefen von Beziehungen und männliche wie weibliche Homosexualität.

Von Stefan Fischer

Der wenig zimperliche Gott des Alten Testaments hat Sodom und Gomorrha mit Feuer und Schwefel überzogen, um die Sünden der Menschen auszubrennen. Nach diesen zwei Städten hat Marcel Proust den vierten Roman seines Zyklus' Auf der Suche nach der verlorenen Zeit benannt. Bei ihm gibt es jedoch keinen rächenden Gott; Paris und das fiktive Balbec gehen nicht zugrunde in einem Inferno. Es ist nicht einmal die Mehrheitsgesellschaft, die mit ihren Moralbegriffen vermeintliches Fehlverhalten sanktioniert: Immerhin stehen Sodom und Gomorrha bei Proust für die männliche und die weibliche Homosexualität - beide nicht mehrheits-, bestenfalls salonfähig. Aber selbst dort, in den Salons des Adels, wo die meisten Handlungen sich abspielen, stößt die Homosexualität wenigstens auf Befremden.

Sie bringt das gesellschaftliche Gefüge ins Wanken: Bislang ungeahnte Bindungen sind möglich, neue Freiheiten, aber auch neue Zwänge ergeben sich daraus; Zweckgemeinschaften werden auf eine neue Grundlage gestellt.

Die Regisseurin Iris Drögekamp lotet in ihrer Hörspielfassung von Sodom und Gomorrha die Untiefen in den Beziehungen der Figuren zueinander sorgfältig aus. Es sind weder Städte noch Prinzipien, es ist immer der Einzelne, der ins Zentrum einer Katastrophe gerät - weil er sich in den Falschen verliebt, sich an die Falsche bindet. Das Ensemble ist spielfreudig: Michael Rotschopf spricht den Ich-Erzähler, als Salon-Löwen treten unter anderem auf Corinna Kirchhoff, Gerd Wameling, Stefan Konarske und Jörg Hartmann.

Sodom und Gomorrha , SWR 2, drei Teile, jeweils donnerstags um 22.03 Uhr.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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