Viel wird zur Zeit geschrieben und gesendet über 1968, den Dreh- und Angelpunkt der größten gesellschaftlichen Veränderung in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine Selbstvergewisserung aus Anlass eines Jubiläums - aber auch aus der Notwendigkeit heraus, die Errungenschaften zu verteidigen gegen eine antiliberale, nationalistische Strömung im Land, die längst auch die Parlamente erreicht hat.
Es gibt neben der neuen Rechten aber noch eine zweite Gefahr für die offene Gesellschaft, aus einer unpolitischen Ecke: Ronja von Rönne beschreibt in ihrem Roman "Wir kommen" eine Generation junger Erwachsener, die zu nichts eine Haltung hat und dementsprechend auch keinen Anlass sieht, für irgendetwas zu kämpfen. Zwei Frauen und zwei Männer leben in einer Ménage à quatre, materiell mangelt es an nichts, die Eltern verdienen gut. Das Ferienhaus in Frankreich wird als vorgezogenes Erbe überschrieben, jeder aus dem Quartett macht irgendwas mit Kunst.
Elisabeth Wellenmann hat den Roman nun zu einem einstündigen Hörspiel eingedampft. Doch auch in diesem Kondensat passiert: nichts. Die Ich-Erzählerin Nora, gespielt von Birte Schnöink, und ihre drei Freunde haben sich in einer neuen Spießigkeit eingerichtet, von der sie glauben, sie schütze sie vor den Anstrengungen des Lebens. Ihre kreative Arbeit ist ambitionslos, die sexuelle Libertinage nicht Ausdruck einer selbstgewissen Freiheit, sondern der Unfähigkeit, sich für oder gegen jemanden zu entscheiden. Als doch alles auseinanderfliegt, macht sich ein Aktionismus breit, der die Figuren vollends als das zeigt, was sie sind: lächerlich.
Wir kommen , NDR Info, Sonntag, 21 Uhr.