Radio:Erst ein Schnaps, dann Mutter sein

Das Hörspiel "Immer dienstags" ist ein erzählerischer Balance-Akt: Es wirbt um Verständnis für die Figuren - die Teilnehmer einer Selbsthilfegruppe. Und stellt zugleich ihre Abstürze brutal aus.

Von Stefan Fischer

Der Späti macht um sechs auf. Es ist erst kurz nach fünf. Lisbeth glaubt nicht, dass sie solange durchhält. Schickt ihre siebenjährige Tochter los, im Schlafanzug, mit schriftlicher Erlaubnis. Schnaps kaufen. Hoffentlich ist der Besitzer des Späti schon da. Ist er. Der Schnaps tut gut. Jetzt kann Lisbeth sich um die Tochter kümmern. Frühstück machen. Eine Mutter sein.

Als sie das erzählt, ist Lisbeth Großmutter. Strickt der Enkelin ein Mützchen. Die Geschichten über ihre Sucht sind längst Routine. Seit Jahren trifft sie sich in einer Selbsthilfegruppe. Immer dienstags - das ist auch der Titel von Eva Lia Reineggers Hörspiel in vier halbstündigen Folgen. Ein erzählerischer Balance-Akt, der um Verständnis wirbt für die liebenswürdigen Seiten der Figuren. Der aber auch Abstürze, Kontrollverluste brutal ausstellt.

Diana schrie an im Supermarkt eine Mitarbeiterin an: "Mach, was ich dir sage!" Nämlich eine weitere Kasse auf. Dann verprügelte sie die Frau heftig. In der Gruppe leugnet Diana, Alkoholikerin zu sein. Weil sie dann darauf reduziert sei. "Ich bin aber noch ganz viele andere Sachen." Das gesteht Reinegger den Figuren zu. Und nimmt sie dennoch nicht zu sehr in Schutz. Es gibt einfach zu viele, die verletzt und missbraucht werden von den Trinkern, auch davon erzählt sie.

Immer dienstags , WDR 3, Montag bis Donnerstag, 19.04 Uhr.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: