Radio:Am Stammtisch

Wo man Dialekt spricht und Tacheles redet: Ein gelungenes Hörspiel erzählt vom Umgang der Menschen in Deutschland mit Geflüchteten. Dabei lässt es auf kluge Art niemanden davonkommen - auch die Wohlgesonnenen nicht.

Von Stefan Fischer

Sie spielen nicht. Oder doch? Bekommt sie die harte Realität serviert, wie sie glaubt? Oder spielen ihr die Menschen doch etwas vor? Damit sie, die ihnen zuhört, das tut, was diese Menschen sich von ihr erhoffen. Schließlich geht es um deren Existenz.

Anne Schaller ist Schauspielerin, sie weiß, wie man Illusionen erzeugt. Von dem Beruf kann sie jedoch nicht leben, und so verlegt sie sich vom Sprechen aufs Zuhören. Wird Mitarbeiterin in einer niederbayerischen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Bamf. Hört sich an wie Stampf. Wird auch eine Menge rumgetrampelt. Auf den Flüchtlingen, auf den Einheimischen - jedenfalls ist das deren subjektives Empfinden -, auf ihr, die entscheidet, wie es mit den Fremden weitergeht, hier in Deutschland. Hier soll es "mit denen" gar nicht weitergehen, finden viele von jenen, die schon immer da sind. Die alten Bekannten in Niederbayern, etliche Schauspielerkollegen. Andreas Unger setzt sich in seinem Hörspiel Die Anhörerin, das Teresa Hoerl inszeniert hat, an die Stamm- und Kantinentische des Landes. Dort wird Dialekt gesprochen und Tacheles geredet. Auch und gerade von Anne Schaller. Hier ist eine Flucht in die Fiktion, anders als auf der Bühne, nicht möglich. Ein Stück, geradeheraus, lebensnah und klug beobachtet. Das niemanden davonkommen lässt. Auch die Wohlgesonnenen nicht.

Die Anhörerin , Bayern 2, Sonntag, 15.05 Uhr.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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