Prozesse:Im Zweifel für die Meinungsfreiheit

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Volker Beck, 59, saß von 1994 bis 2017 für die Grünen im Bundestag und engagierte sich unter anderem für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Derzeit wird er stark von Rechtsradikalen angefeindet. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Im Prozess Volker Beck gegen "Spiegel Online" sowie einem Prozess, in dem es um Afghanistan-Papiere geht, tendiert der Europäische Gerichtshof dazu, die Veröffentlichungen über das Urheberrecht zu stellen.

Der lange Rechtsstreit des Volker Beck gegen die Spätfolgen eines Buchbeitrags von 1988 ist noch nicht zu Ende - aber mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat sich die Waage eher gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten geneigt. Es geht um einen Text, in dem er als junger Mitarbeiter der Grünen-Fraktion darüber sinniert hatte, wie "die Entkriminalisierung von unproblematischen sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern" zu erreichen wäre. Er hat längst öffentlich Abbitte geleistet. Viele Jahre aber hatte er sich damit verteidigt, der Verlag habe damals seine zentrale Aussage verfälscht - bis 2013 das Originalmanuskript auftauchte. Der Spiegel machte die Sache öffentlich und schrieb: Original und Buchbeitrag seien nahezu identisch. Beck wendet sich nun allein dagegen, dass das Original als PDF an den Spiegel-Text angehängt war. Nicht, weil er dessen Inhalt verschweigen wollte - den hat er selbst öffentlich zugänglich gemacht, freilich mit einem Disclaimer auf jeder Seite: "Ich distanziere mich von diesem Beitrag. Volker Beck." Um durchzusetzen, dass allein diese Version des Manuskripts im Netz kursiert, beruft er sich auf sein Urheberrecht.

Ob er damit durchkommt, muss abschließend der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Der EuGH hat den Kollegen in Karlsruhe mitgeteilt, wie er die Sache sieht. Klar ist dabei der Ausgangspunkt: Das Urheberrecht kann nicht dazu missbraucht werden, die Berichterstattung über wichtige Tagesereignisse zu torpedieren. Zitate sind erlaubt, wenn sie für die Belange der Presseberichterstattung erforderlich sind. Und wenn das "Zitat" ausnahmsweise den kompletten Text umfassen muss, weil sich anders das Ereignis nicht darstellen lässt - dann ist es laut EuGH ebenfalls erlaubt. Dass dies in der Causa Beck so ist, dürfte kaum zweifelhaft sein. Weil er selbst behauptet hatte, Buchtext und Manuskript klafften auseinander, konnte nur das Original zum Beweis des Gegenteils dienen. Der BGH wird freilich noch zu prüfen haben, ob dafür vielleicht doch die Version mit Volker Becks Distanzierung ausgereicht hätte.

Auch in einem weiteren Fall hat der EuGH den Einfluss des Urhebers auf Presseberichte beschränkt. Der zur Funke-Gruppe gehörende Zeitung WAZ wurden vertrauliche Berichte über Auslandseinsätze der Bundeswehr zugespielt, die sie als "Afghanistan Papiere" auf einem speziellen Portal veröffentlichte. Dagegen ging die Bundesregierung vor und berief sich dabei auf ihr Urheberrecht. Der EuGH entschied, dass Meinungs- und Informationsfreiheit gerade in politischen Auseinandersetzungen von "besonderer Bedeutung" sind. Auch hier wird der BGH abschließend urteilen müssen. Die Kollegen vom obersten EU-Gericht haben aber eine Empfehlung: Es sei "nicht ausgeschlossen", dass die Veröffentlichung der Papiere als "Berichterstattung über Tagesereignisse" zulässig sei.

© SZ vom 30.07.2019 / SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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