Podcasts des Monats:Im Namen der Dose

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(Foto: SZ)

Zum Leben erweckte Gegenstände, Start-Ups im Härtetest, Strategien gegen die Angst und ein Cyber-Krimi um ein Bakterien-Deo.

Podcasts haben einen neuen Boom des Geschichtenhörens ausgelöst - im Fiktionalen wie im Dokumentarischen und bei Ratgebern. Sie befördern neue Formate, etwa Serien, und bringen neue Produzenten hervor. Die SZ-Medienseite stellt jeden Monat ihre Favoriten vor.

Everything is Alive

everythingisalive.com

Da ist meine Dose Cola, die ich austrinke. Mein Kissen, auf dem ich schlafe. Die Straßenlaterne, die meinen Heimweg aufhellt. Gegenstände, nützlich, nicht wegzudenken. Aber was erleben sie eigentlich den ganzen Tag lang und was würden sie mir darüber erzählen? Der Podcast Everything is Alive des New Yorker Autors Ian Chillag erweckt Gegenstände zum Leben. Das klingt zwar nach Schulaufgabe für kreatives Schreiben, ist aber durch die klugen Skripte und die liebevolle Produktion alles andere als platt. In seinem fiktiven Interview spricht Louis, die Getränkedose, über Gesundheitsdebatten rund um Softdrinks, aber auch über philosophische Fragen zum Sterben (Ausgetrunkenwerden) oder zum Verhältnis von Seele und Körper (Cola und Dose). Emmy, der Schwangerschaftstest, spricht über Familien. Ein Stoffalligator übers Erwachsenwerden. Der Podcast befragt Dinge, die wir nur selten beachten. Weil er dabei Fragen stellt, die uns alle bewegen, erzählt er viel über uns selbst. Vinzent-Vitus Leitgeb

Should this exist?

shouldthisexist.com

Nicht alle digitalen Technologien verbessern notwendigerweise das Leben. Sie können auch Gefahren für die Gesellschaft bergen. Mit dieser Einstellung gehen die Macher des US-Podcasts Should this exist? an Erfindungen wie Roboter-Therapien oder Lernen unter Elektrostimulation heran. Die Moderation Caterina Fake, selbst Silicon-Valley-Unternehmerin und Mitgründerin des sozialen Netzwerks Flickr, konfrontiert Unternehmer mit problematischen Szenarien, prüft deren Ideen auf ihr Potenzial, aber auch auf Schwächen und Gefahren. Der Podcast des Medien-Start-Ups WaitWhat folgt in seinen bisher drei Episoden einer klaren Struktur: Caterina Fakes oft spitze Fragen ergänzen Experten durch ihr Fachwissen. Das Ergebnis ist eine kluge Abwägung. Urteilen müssen die Hörer selbst. Annkathrin Weis

Was fragst Du?

ndr.de/wasfragstdu

Wissenslücken, Sorgen, geheime Wünsche - all die großen und kleinen Fragen des Lebens tippen wir in Suchmaschinen. Was uns bewegt, kann man also in Trends und Statistiken der Google-Suchen ablesen. Im NDR-Podcast Was fragst Du? recherchieren Anja Sackarendt, Dramaturgin am Lübecker Theater, und Stefan Forth, Redakteur bei NDR Kultur, zu jeweils einer häufig gestellten Frage in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken. Thematisch führt das in viele Richtungen und von der meist rasch beantwortbaren Ausgangsfrage zu größeren gesellschaftlichen und kulturellen Debatten. Warum die Queen ein "R" in ihre Signatur setzt, etwa zur politischen Positionierung von Elisabeth II. im Brexit. Die assoziativen Gedankensprünge machen den Reiz des Podcasts aus, der sich mit Experteninterviews und Musikstücken eher nach klassischer Radiosendung anhört. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge. Aurelie von Blazekovic

Angst - Was hilft wirklich gegen Angst und Panikattacken?

psychologie-lernen.de

Zu den größeren Problemen des Lebens gehört der Umgang mit den eigenen Ängsten. Der Psychologe Eskil Burck nähert sich ihnen wissenschaftlich, unter Verzicht auf kaum verständlichen Psychologie-Jargon. Auf diese Weise macht er Laien die aktuelle Forschung zugänglich. In den zehn bis 20 Minuten kurzen Episoden des Podcasts Angst schildert Burck nüchterne Studien bildhaft und ordnet sie kritisch ein. So hinterfragt er die Annahme, dass sich Angst und Stress negativ auf die Leistung auswirken. Der lebende Beweis, wie Ängste überwunden werden können, ist Burck selbst. Er habe, erzählt er, in jungen Jahren unter sozialen Phobien und Panikattacken gelitten. Im Podcast hört man einen selbstsicheren Referenten. Wissenschaft macht offenbar Mut. Michael Kohl

Schnipselfunk

schnipselfriedhof.de

Im Leben von Volker Strübing geht es drunter und drüber, was daran liegt, dass er in jüngerer Zeit zweimal Vater geworden ist und ohnehin zur Dauerkonfusion eines zerstreuten Professors neigt. In seinem Schnipselfunk berichtet der preisgekrönte Poetry Slammer von den Dingen des Lebens, vom Vatersein, von Reisen oder von einer hinterm Heizungsrohr versteckten Grille. Extra konfus und damit doppelt amüsant wird es, wenn er versucht, dem Hörer vorzuführen, welche Fortschritte er bei seinem Hobby, dem Programmieren macht. Empfehlenswert ist die Neuronale Bockwurst betitelte Folge 4, in der Strübing beschreibt, wie man ein neuronales Netz aufbaut. Man versteht als Laie fast nichts, hat aber großen Spaß, dem Mann beim Erklären zuzuhören und zu erleben, wie er das nur halbgut hinbekommt. Zu wünschen übrig lässt allein die Produktionsfrequenz. Seit Februar 2018 hat er gerade mal zwölfeinhalb reguläre Ausgaben geschafft. Eine neue soll Ende März folgen. Oder im April. Oder ... Hans Hoff

Die Verschiebung

x.swr.de/s/dieverschiebung

Besser auf neuronale Zusammenhänge versteht sich der nerdige Ant. Er ist Biohacker und bastelt gerne mit einer Genschere herum. Auf diese Weise bringt er Bakterien zum Leuchten. Auf den Körper aufgetragen, ist das die Sensation im besten Club der Stadt. Ant stehen dadurch Türen und Mädchenohren offen. Aber das Bakterien-Deo hat allerhand Nebenwirkungen. Und so mündet das Sci-Fi-Abenteuer Die Verschiebung des Autorenduos Serotonin rasch in einen überdrehten Cyber-Krimi. Viertelstundenkurz ist jede der in zwei Staffeln unterteilten 20 Episoden. Und spannender noch als die Frage, wer wem rechtzeitig entkommt, ist der Umstand, dass Ants Tinktur offenbar auch zum Wahrheitsserum taugt. Stefan Fischer

sz.de/podcast-tipps

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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