Neuerscheinung:Erlesener Geschmack

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Futter für den Genusshipster: "Gourmet Traveller" serviert Geheimtipps aus aller Welt. Dass das Magazin ursprünglich aus Australien stammt, merkt man der deutschen Ausgabe an, die wenig redaktionelle Eigenleistung vorweisen kann.

Von Marten Rolff

Essen ist Lifestyle - diese Binse hat das eher brave Segment deutscher Foodmagazine bisher auf ganz eigene Art interpretiert. Seit Jahren dominiert dort das Landidyll, und in der gefühlten Statistik kommen auf jeden Genusstrend, auf jede neue Kaffeeröstung, auf jedes Kurzporträt eines internationalen Avantgardekochs bis heute zehn Rezeptvariationen für Apfelstrudel. Es klingt seltsam, aber damit ist der eigentlich allgegenwärtig wirkende Gourmethipster in Deutschland immer noch unterrepräsentiert. Das war wohl auch ein Grund, weshalb sich der Bauer-Verlag entschlossen hat, ein weiteres Foodmagazin auf einen gut gesättigten Markt zu werfen.

Die deutsche Ausgabe des Gourmet Traveller soll künftig einmal im Quartal (Auflage: 67 500) erscheinen und ist ein Lizenzprodukt des bekannten australischen Mutterheftes, das ebenfalls zu Bauer Media gehört. Der Anspruch (ungewöhnliche Ziele und Geschmäcker für ein anspruchsvolles Publikum) folgt der etwas ausgelutschten Jetsetter-Formel "The world is my oyster". Ob asiatische Fusion-Bowls, isländische Rohkost, Club-Hopping mit Spicy Chicken in Nashville, Essen in der schicken Brasserie "Bert's" in Sydney oder die kulinarische Tempel-Tour durch Tamil Nadu - fremd ist uns natürlich gar nichts, man muss ja alles mal probiert haben. Dass das Exotikversprechen mit jeder neuen "Entdeckung" schwerer einzulösen ist ("Balis schöne Ecken sind schnell überlaufen, zum Glück kennen wir ein paar Insider ..."), gehört dabei zu den Widersprüchen unserer Zeit.

Seltsam flach gerät im Heft die deutsche Verankerung

Nun ist Eskapismus kein Verbrechen und die lässig glamouröse Bildsprache des Gourmet Traveller beim Ausbruch aus dem Alltag hilfreich. In diesem Punkt können deutsche Magazine vom angelsächsischen Markt noch lernen. Die Ästhetik wirkt sich auch angenehm auf die ansprechenden Rezeptstrecken aus (Butterkekse mit schwarzem Sesam und Meersalz!), wobei die Redaktion angesichts von Zutaten wie gemahlener Akaziensaat oder gefriergetrockneten Erdbeeren davon auszugehen scheint, dass der Leser seine Kreditkartendaten grundsätzlich bei einem fantastisch sortierten Genussportal geparkt hat.

Seltsam flach gerät im Heft dann die deutsche Verankerung. Unklar, warum die führende Geschichte ausgerechnet ein Interview mit dem Südtiroler Roland Trettl sein muss. Der ist zwar ein kluger Koch, hat aber abgesehen davon, dass seine Dating-Sendung bei Vox in einem Restaurant spielt, derzeit zum Thema nicht viel beizutragen. Zur Übernahmequote von Beiträgen aus dem Mutterheft macht die Redaktion keine Angaben. Aber eine leichte australische Schlagseite ist bei der Themenauswahl auffällig, etwas mehr redaktionelle Eigenleistung würde wohl nicht schaden. Schon klar: Auch das sorgfältige Kuratieren von Produkthinweisen zählt zu den wichtigen Aufgaben von Stilredaktionen. Ob man aber so weit gehen muss, dass ein Starkoch wie der Schwede Magnus Nilsson sein neues Kochbuch gleich selbst vorstellt, ist eine andere Frage. Auch Tipps für Restaurant-Evergreens wie das Noma in Kopenhagen wirken dann doch etwas lieblos. Dafür brauchen selbst Menschen, die noch nicht alles kennen, nun wirklich kein neues Gourmetmagazin.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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