Alles wird gut, wenn man den Dingen ihre Zeit lässt. Sowas schrieb man früher ins Poesie-Album, ein ziemlich peinliches, vordigitales Freundschafts-Tool. Aber weiß man, ob das Poesiealbum nicht das nächste große Ding der Entschleunigung wird? Wo sich jetzt Ausmalbücher so gut verkaufen und sicher bald extraweich gezüchtete Bäume zum Streicheln.
Im Bistum Speyer hat sich der Satz bewahrheitet. Als die katholischen Kirchenoberen dort im Jahr 1848 eine Bistumszeitung gründeten, wählte sie den frommen Titel Der Pilger - vermutlich im Bewusstsein, dass das Leben nach christlicher Vorstellung schon immer einer beschwerlichen Reise hin zum lieben Gott glich. Es vergingen mehr als hundert Jahre, die Zeitung blieb, aber ihr Titel war eben sogar für die extrem entschleunigten katholische Verhältnisse so gar nicht modern.
Und dann wurde plötzlich alles gut: Hape Kerkeling beschritt den Jakobsweg; überhaupt war statt Midlife-Krise jetzt die Pilgerreise zum eigenen Ich praktisch Pflicht. Worte wie Achtsamkeit ersetzten auf Zeitschriftencovern den Begriff Diät.
Im Bistum Speyer erkannte die Redaktion um Chefredakteur Norbert Rönn das Potenzial. Sie bringt unter dem Titel Der Pilger - Magazin für die Reise durchs Leben jetzt viermal jährlich ein "Mindstyle-Magazin mit christlichem Fokus" für Deutschland, Österreich und die Schweiz heraus. Rönn sagt: "Wir sehen das schon so, dass wir eine Brücke zwischen Tradition und Innovation schlagen"; er hofft, auch Menschen anzusprechen, die die Kirche sonst nicht mehr erreiche. Mindstylemäßig eine recht ehrgeizige Aufgabe.
Die erste Nummer widmet sich dem Fastenwandern, selbstgemachtem Kirschlikör und Bogenschießen; es gibt eine Kolumne des medienauffälligen Benediktinerpaters Anselm Grün und Naturbilder mit Texten von Franz von Assisi. Katholizismus als Wellness. Eigentlich sieht Der Pilger aus wie Landlust mit Nonnen. Bei den sanften Fragen - "Bin ich schon am Ziel? Möchte ich überhaupt ankommen?" - hält das Heft mit anderen Achtsamkeits-Produkten locker mit. Kuschel-Prädikat wertvoll: Hier streichelt die Kirche jedes Seelchen selbst.