Neue Sportzeitschrift:Der zwölfte Freund

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"Socrates" - wie groß ist der Markt für intellektuelle Hefte aus dem Sektor Sport wirklich? Eine Idee aus der Türkei kommt jetzt auf den deutschen Markt, hält aber in Ausgabe eins noch nicht, was der imposante Titel verspricht.

Von Lukas Wohner

Gewagt? I wo! Wer im Fußballland Türkei ein Allgemeinsport-Magazin auf einem praktisch nicht existenten Printmarkt platziert und binnen eineinhalb Jahren laut eigener Aussage zu einer stabilen Auflage von mehr als 15 000 Exemplaren monatlich bringt, für den ist das doch keine Mutprobe mehr: Dieser Tage ist Socrates (Untertitel: "Das denkende Sportmagazin") erstmals auch in Deutschland erschienen.

Und die Macher sind zuversichtlich, aus mehreren Gründen: weil ihr Heft in der Türkei das meistverkaufte des Segments ist; weil sich Sportzeitschriften in Deutschland noch immer relativ gut verkaufen. Und weil sie ganz offensichtlich einen Mangel sehen an Geschichten aus der Welt des Sports abseits von Spielberichten und Transfergerüchten. Socrates will sich weder der Aktualität noch allein dem Fußball verschreiben, lieber ein wenig philosophieren und auch der Kultur frönen.

Die Reaktionen der Grossisten seien so überragend gewesen, dass die Startauflage auf 51 000 Stück aufgestockt worden sei, berichtete der Publizist Can Öz vorab in München. Der 36-jährige Istanbuler verlegt eigentlich Literaten wie Orhan Pamuk und lässt Werke von Coelho bis Goethe ins Türkische übersetzen. Jetzt macht er auch in Sport. Warum bloß?

Wie groß ist der Markt für intellektuelle Sportmagazine?

Als Inspiration nennen Can und seine Leute unumwunden das erfolgreiche Fußballmagazin 11 Freunde, dessen verkaufte Auflage zuletzt nahe bei 100 000 Exemplaren lag. Die 11 Freunde-Macher haben mit im Sommer selbst ein neues Heft herausgebracht, es heißt No Sports und kommt ganz ohne Fußball aus - stattdessen geht es etwa um Handball, Cricket oder Golf. Wie unterscheidet sich Socrates von diesem Paket? "Wir vereinen lieber alles in einem Magazin", sagt Chefredakteur Fatih Demireli, "außerdem sind wir internationaler und zeitloser." Die Konkurrenz zwischen den Heften aus dem 11 Freunde-Verlag und Socrates liegt gleichwohl auf der Hand. Es bleibt abzuwarten, wie groß der Markt für alternative oder gar intellektuelle Sportzeitschriften wirklich ist.

Das Heft, das nach dem großen brasilianischen Fußballer, Schöngeist und Querdenker Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira benannt ist, vermag jedoch auch ohne den direkten Vergleich nicht wirklich zu überzeugen - trotz großer Namen auf dem Titel (Klopp, Pep, Mourinho, Gabo, Dylan) und verdienter Autoren im Impressum. Bei zu vielen Geschichten und Interviews bleibt unklar, was sie eigentlich aussagen wollen; dazu kommen auffallend viele Rechtschreibfehler und etwas holprige Texte, die den Anschein erwecken, nicht besonders gut aus dem Türkischen übersetzt worden zu sein. Das Kraut-und-Rüben-Layout ist zwar stellenweise schick, nimmt die Leser aber nicht an die Hand, sondern erschwert ihnen sogar die Orientierung auf dem Weg durch ein Heft, dem insgesamt die Stringenz fehlt.

Dieser Erstversuch im Gegen-den-Strom-Schwimmen ist noch nicht der ganz große Sport. Das Anliegen jedoch, sich abzuheben von der schnellen Krisenberichterstattung manch anderer Sporthefte, ist schon zu erkennen. Es ist aber noch kein Weltranglistenerster vom Himmel gefallen.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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