Netflix-Doku:Olympische Asche

Lesezeit: 1 min

Eigentlich wollte der Autor und Regisseur Bryan Fogel in "Icarus" die Wirkung von Doping an sich selbst dokumentieren. Er stieß auf einen Berater aus Russland, der mitten im System steckte - so entstand ein Skandalfilm über Staatsdoping.

Von Stefan Fischer

Im Juni des vergangenen Jahres, als Russland mit aller Macht darum kämpfte, dass seine Sportler trotz des nachgewiesenen staatlich orchestrierten Dopingprogramms an den olympischen Spielen in Rio de Janeiro teilnehmen dürfen, sagte Präsident Wladimir Putin einen ziemlich irren Satz: Er beklage, so Putin, "die Einmischung der Politik in den Sport".

Es geht kaum zynischer, denn Putin und sein Sportminister Witali Mutko, inzwischen auch Vize-Ministerpräsident, regieren ja selbst massiv in den Sport hinein. Der Inlandsgeheimdienst FSB hatte Zugang zum Doping-Kontrolllabor während der Winterspiele 2014 in Sotschi. Und es geht, diese These stellt Bryan Fogel in seinem Dokumentarfilm Icarus auf, um weit mehr als darum, dass einer wie Putin im Glanz erfolgreicher Sportler Imagepflege betreibt. Es geht um Handfestes: Putins Zustimmungswerte waren vor den Spielen in Sotschi kontinuierlich gesunken; während der Wettkämpfe aber schnellten sie mit jeder Medaille nach oben. Grigori Rodschenkow, Fogels Kronzeuge in dem Film, sagt: Weniger Medaillen für Russland, und Putin hätte nicht die Stärke gehabt, um fortan derart aggressiv aufzutreten. Im März 2014 hat Russland die Krim annektiert, kaum dass das olympische Feuer erloschen war.

Icarus, der Anfang des Jahres beim Sundance Festival Furore gemacht hat und nun bei Netflix gezeigt wird, ist ein kurioses Projekt. Eigentlich wollte Fogel, der nicht nur Autor und Regisseur, sondern auch ein ambitionierter Amateur-Radfahrer ist, die Wirkung von Doping an sich selbst dokumentieren. Dabei ist er an Rodschenkow als Berater geraten, den Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors - nachdem dem US-Dopingfahnder Don Catlin die Sache zu heikel geworden war. Rodschenkow hatte keine Bedenken. Doch in das Filmprojekt platzte 2014 die ARD-Dokumentation Geheimsache Doping über russische Dopingpraktiken. Was das für ihn bedeute, fragt Fogel. Rodschenkow antwortet: "It's like a tornado coming." Es war, als komme ein Tornado.

Fogel wurde klar, dass Rodschenkow ein Drahtzieher des Staatsdopings ist - und ihm das den journalistischen Stoff seines Lebens bescherte. Icarus enthält, sieht man ihn heute, keine neuen Doping-Enthüllungen. Rodschenkow hat längst ausgepackt und so den drohenden Ausschluss russischer Sportler von den Rio-Spielen provoziert. Zu sehen ist, welche politischen Mächte im Sport herrschen - bereit, über Leichen zu gehen. Zwei Funktionäre der russischen Anti-Doping-Behörde sind 2016 unter mysteriösen Umständen gestorben. Rodschenkow hatte sich da bereits in die USA abgesetzt, Fogel hat ihm geholfen.

Icarus , bei Netflix.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: