Nachruf:"Sibylle"-Gründerin gestorben

Sibylle Boden-Gerstner. (Foto: Ostsee-Zeitung)

Mit der DDR-Modezeitschrift, die ihren Vornamen trug, begründete Sibylle Boden-Gerstner eine publizistische Erfolgsgeschichte voller Schnittmuster und Ermutigungen. Nun ist sie im Alter von 96 Jahren gestorben.

Mondäne Posen vor realsozialistischem Hintergrund waren das Markenzeichen der Sibylle und brachten ihr den Beinamen "Ost- Vogue" ein. Aus dem Mangel heraus begründete die DDR-Frauenzeitschrift einen eigenen Stil und förderte (Mode-)Fotografinnen wie Ute Mahler und Sibylle Bergemann. Das 1995 eingestellte Magazin trug den Vornamen seiner Erfinderin, der Malerin, Kostümbildnerin und Autorin Sibylle Boden-Gerstner. Die 192o in Breslau geborene Deutsch-Jüdin, die in Berlin und Paris Mode, Malerei und Illustration studierte, erhielt 1956 den Auftrag, eine international orientierte, anspruchsvolle Mode- und Kunstzeitschrift zu entwickeln. Die Sibylle wurde ein Renner, weil darin das offizielle Selbstbild des SED-Staates infrage gestellt, ja konterkariert wurde. Sie lieferte ihren Leserinnen Schnittmusterbögen und Ermutigungen, die kleinen Freiheiten eines engen Landes auszuloten. Dieser stille Aufruf zur Unangepasstheit war die Lebensleistung von Sibylle Boden-Gerstner, die das Heft nach Kritik an ihrer Modekonzeption als "zu französisch" schon 1961 verließ, aber den Grundstein legte für eine Erfolgsgeschichte, an die die Kunsthalle Rostock derzeit mit einer Ausstellung erinnert. Am Sonntag starb Boden-Gerstner im Alter von 96 Jahren.

© SZ vom 28.12.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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