Nachruf:Mit einem Lächeln

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Mary Tyler Moore wurde 1936 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und prägte als Schauspielerin und Produzentin über Jahrzehnte vor allem das US-Fernsehen. (Foto: Getty Images)

In einer Zeit, als Frauen im TV noch stets in knappe Kleidchen gesteckt wurden, spielte Mary Tyler Moore eine Karrierefrau.

Von Jürgen Schmieder

Unabhängig. Ein Wort genügt, um Mary Richards zu beschreiben, die Protagonistin der Fernsehserie The Mary Tyler Moore Show. Sie ist niemandes Ehefrau, Mutter oder Geliebte. Sie ist eine neurotische TV-Produzentin, ein glücklicher Single, eine warmherzige Freundin; sie sagt solch wunderbare Sätze wie: "Manchmal musst du einen Menschen wirklich kennenlernen, um zu wissen, wie fremd er dir eigentlich ist." Oder: "Wer immer nur Glück hat im Leben, der muss nicht tapfer sein." Richards war die erste Ikone der Gleichberechtigung im US-Fernsehen, die den Weg bereitete für die starken Frauenfiguren heutiger Serien.

Mary Tyler Moore hat diese Figur in den 1970er-Jahren verkörpert, als TV-Produzenten Frauen in beinahe jedem Genre in knappen Kleidchen präsentierten, von Action ( Drei Engel für Charlie) über Sitcoms ( Herzbube mit zwei Damen) bis hin zu Dramen ( Privatdetektivin Honey West). Moore: "Sie repräsentiert diesen unabhängigen Elan und diesen unerschütterlichen Glauben daran, dass im Leben einer Frau mehr möglich sein kann als die Rolle an der Seite eines Mannes." Am Mittwoch ist sie in einem Krankenhaus in Connecticut an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Sie wurde 80 Jahre alt.

Die Tochter eines Beamten und einer Hausfrau zog im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie von New York nach Los Angeles. Zu Beginn ihrer Karriere war sie noch nicht immun gegen das sogenannte "Tits & Ass Television", das Fernsehen mit Brüsten und Hintern; sie tanzte in Werbefilmen, in Richard Diamond, Privatdetektiv waren ihre nackten Beine zu sehen, in der Krimiserie Johnny Staccato trug sie das, nun ja, extrem kleine Weiße.

In der Dick Van Dyke Show spielte sie von 1961 an eine Hausfrau, die im Wortsinn die (Capri-)Hosen anhatte. Niemand putze in Rock oder Abendkleid das Haus, sagte Moore: "Ich wollte eine Frau spielen, die nicht andauernd darauf achten muss, wie sie aussieht." Die riesige Zustimmung weiblicher Zuschauer gab ihr recht. Sie gewann 1964 den ersten von sechs Emmys, außerdem wurde sie mit zwei Tony Awards sowie drei Golden Globes ausgezeichnet und 1980 für den Oscar nominiert.

Der Erfolg der Mary Tyler Moore Show, erstausgestrahlt von 1970 bis 1977 auf CBS, ließ sie mit Alkohol- und Diabetes-Problemen offen umgehen: "Wenn die Leute sehen, dass ich mich auf Entzug begebe oder mein Leben aufgrund meiner Krankheit ändere, dann inspiriert das vielleicht ein paar Leute da draußen." Sie gründete die Produktionsfirma MTM, deren Logo eine miauende Katze war - eine augenzwinkernde Persiflage des MGM-Löwen und ein sanfter Hinweis auf den bröckelnden Chauvinismus in Hollywood. Das war Moores Strategie für gesellschaftliche Veränderung: subtil, charmant, mit einem Lächeln.

Im Vorspann der Mary Tyler Moore Show spaziert die Heldin durch Minneapolis und wirft lachend ihre Mütze in die Luft. Die Textzeile dazu: "Who can turn the world on with her smile?" Mary Tyler Moore hat die US-TV-Branche und auch die Welt mit einem Lächeln verändert. Vor allem aber war sie: unabhängig.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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