Mogelmagazin:"Ein ungeheuerer Vorgang"

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Wie aus dem deutschen Grundgesetz erst ein Hochglanzheft und daraus eine windige Fälschung wurde: Ein Gespräch mit Magazinmacher Oliver Wurm.

Interview von Benedikt Frank

Als Herausgeber von Das Grundgesetz als Magazin ist dem Journalisten Oliver Wurm anlässlich des 70. Jubiläums des Verfassungstexts ein Überraschungserfolg am Kiosk gelungen. In mehreren Auflagen verkaufte sich das Heft zum Copypreis von zehn Euro, in dem die Artikel des Grundgesetzes auf hochwertigem Papier optisch aufbereitet wurden. Die Idee fanden offenbar nicht nur Leser gut: Auf Amazon gab es bis vor Kurzem ein Magazin mit demselben Titel zu kaufen. Herausgegeben von einem Verlag im bulgarischen Sofia, gedruckt in Polen von Amazon Fulfilment, dem Logistiknetzwerk des Versandriesen, der offenbar Lagerung, Verkauf und wohl auch den Druck für private Händler übernimmt. Vorige Woche beschrieb Wurm den Fall auf Facebook: "Ein ungeheuerlicher Vorgang." Ein paar Nachfragen.

SZ: Herr Wurm, warum darf nicht jeder das Grundgesetz drucken und verkaufen?

Oliver Wurm: Das darf natürlich jeder und soll es auch ruhig tun. Es geht mir gar nicht darum, dass noch jemand außer mir das Grundgesetz vertreibt. Es ist nur so, dass unser Magazin Das Grundgesetz als Magazin heißt. Wenn Sie das aber bei Amazon eingeben, konnten Sie bis vor kurzem Produkte mit dem gleichen Namen finden, die aber nicht von uns kamen. Darunter standen dann die Fünf-Sterne-Rezensionen, die unser eigenes Magazin betreffen. Kunden kauften das, waren enttäuscht und beschwerten sich dann bei uns. Für mich fühlte sich das wie ein Einbruch bei einem Zuhause an.

Hatten Sie denn die Konkurrenzversion schon in der Hand?

Einmal wurde eine digitale Kindle-Version zum Download angeboten. Unser Magazin ist aber ausschließlich gedruckt erhältlich. Es gibt da auch noch ein gedrucktes Magazin, das unseren Titel trägt. Das hab ich mir bestellt und gesehen, dass dort nur der blanke Text des Grundgesetzes reinkopiert wurde, gedruckt auf billigstem Papier. Es sah aber bei Amazon so aus, als würde auch das von mir angeboten werden. Wenn wir das Magazin so gemacht hätten, hätte es kein Mensch gekauft. Das gibt es so auch kostenlos.

Ihr Magazin aber hat sich gut verkauft.

Nach fünf Nachdrucken haben wir nun eine Auflage von etwa 270 000 Stück.

Nicht schlecht für einen 70 Jahre alten Text in modernem Layout.

Wir haben ja noch viel mehr gemacht und darum regt mich dieser Etikettenschwindel so auf. Der Designer Andreas Volleritsch und ich haben daran bestimmt 300 Stunden lang gesessen, hinten gibt es noch einen 16-seitigen Infografikteil, wo die Geschichte Deutschlands aufgearbeitet ist, alle Kanzler, alle Präsidenten. Wir wollten Wissen mitliefern, eben ein richtiges Magazin machen, nicht nur den Text abdrucken.

Und jetzt?

Ich habe in den vergangenen Wochen Dutzende Male bei Amazon angerufen. Dort meldet sich ein Mensch aus einem Callcenter, dem man das Problem schildert. Und dann passiert nichts. Darum habe ich in meiner Verzweiflung die Sache über meine Social-Media-Kanäle öffentlich gemacht. Danach hat Amazon innerhalb von 24 Stunden die Kindle- und die Billigdruckversion von meiner Amazon-Seite entfernt. Jetzt sind sie gar nicht mehr erhältlich. Dabei sollen die das gern weiter verkaufen, aber eben nicht unter meinem Namen.

Mit Verlaub, aber warum haben Sie keinen Titel- oder Markenschutz für Das Grundgesetz als Magazin angemeldet?

Ich habe das damals bewusst nicht gemacht, der Name ist ja im Grunde eine Produktbeschreibung. Ich hätte es vermessen gefunden, ihn mir zu sichern. Jetzt habe ich das, auch aus Selbstschutz, nachgeholt. Denn wenn es noch mehr schlechte Menschen da draußen gibt, kann es sein, dass die sich den Titel sichern und am Ende mir verbieten wollen, mein Magazin rauszubringen.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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