Mediatheken:Salto vorwärts

Netflix zu französischen Produktionen verpflichten und eine Superplattform aufbauen: Wie Frankreich den Streaming-Riesen den Kampf ansagt.

Von Kathrin Müller-Lancé

Mit seinen Lokalkolorit-geprägten Nachrichtensendungen und den oftmals viel zu gut gelaunten Unterhaltungsshows gilt das französische Fernsehen eigentlich nicht unbedingt als Avantgarde. Jetzt aber scheinen die Franzosen tatsächlich mal vorne dabei zu sein - was die Konkurrenz zu Netflix angeht. Das zumindest lassen die Pläne für die senderübergreifende Mediathek mit dem Namen "Salto" vermuten.

Drei Sender sollen bei dem Großprojekt mit dabei sein: das öffentlich-rechtliche France Télévisions sowie die beiden größten Privatsender TF1 und M6. Vor wenigen Wochen hat das französische Kartellamt die Plattform genehmigt, starten soll sie im Frühjahr 2020.

Dann sollen Nutzer die linearen Programme, aber auch Video-on-Demand-Angebote und Eigenproduktionen sehen können, von Nachrichten über Sport und Unterhaltung bis hin zu Filmen und Serien. Der Preis pro Abonnement wird bisher laut Medienberichten auf zwei bis acht Euro pro Monat geschätzt, konkrete Angaben machen die beteiligten Sender dazu bislang nicht. Auch ist noch nicht klar, ob die Abo-Kosten zusätzlich zum Rundfunkbeitrag erhoben oder mit diesen verrechnet werden. Die Rundfunkgebühren liegen in Frankreich aktuell bei 139 Euro jährlich, also etwa 11,50 Euro pro Monat.

Auch in Deutschland gibt es den Traum von einer großen, senderübergreifenden Plattform

Der Weg zum Ziel ist kein einfacher. Bereits vor einem Jahr hatten die Sender ihre Pläne für die französische Super-Mediathek bekannt gemacht, diese mussten jedoch erst von den Wettbewerbsbehörden in Brüssel und Frankreich abgenickt werden. Damit die drei größten französischen Sendeanstalten bei ihrem geplanten Zusammenschluss ihre Marktmacht nicht missbrauchen, sieht das französische Kartellamt einige Auflagen vor: Sie dürfen zum Beispiel nur eingeschränkt gemeinsame Lizenzen kaufen - und auch nur bedingt Material exklusiv verbreiten. Außerdem ist es den Sendern verboten, auf ihren Fernsehkanälen kostenlos für die Plattform zu werben.

Ob Salto mit der amerikanischen Konkurrenz mithalten kann, wird sich zeigen. Bisher wird der Streaming-Markt von den großen Playern wie Netflix und Amazon dominiert, ab November dieses Jahres wird auch der Unterhaltungsriese Disney mitmischen. Dann soll die Video-on-Demand-Plattform Disney+ in den USA starten.

"Die neue Plattform wird uns bald die Möglichkeit geben, auf unserem eigenen Gebiet mit den internationalen Akteuren mitzuhalten", teilte die France-Télévisions-Chefin Delphine Ernotte auf Anfrage mit. Französische und europäische Produktionen könnten so künftig einen neuen Weg zum Publikum finden.

In Deutschland hingegen machen die Sender bislang eher ihr eigenes Ding. Zwar gibt es seit diesem Sommer die Plattform Joyn, auf der sich verschiedene Sender, auch öffentlich-rechtliche, live schauen lassen. Das Video-on-Demand-Angebot aber basiert vor allem auf den Programmen der Prosieben-Sat1-Gruppe. Wer öffentlich-rechtliche Sendungen online sehen möchte, muss die Mediatheken von ARD, ZDF, 3sat und Co. einzeln aufrufen - nicht einmal für die Öffentlich-Rechtlichen gibt es eine gemeinsame Plattform.

Dabei träumt der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm von etwas noch Größerem als dem, was die Franzosen jetzt vorgelegt haben: Er plädiert bereits seit Längerem für eine europaweite Plattform, die nicht nur in Konkurrenz zu den US-Streamingdiensten, sondern auch zu Facebook und Google treten soll. Dort sollten dann neben den Inhalten der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender auch die von Verlagen, Museen oder Universitäten verfügbar sein. Nutzer sollen eine Suchfunktion nutzen und sich austauschen können. So weit die Vision. Und was sagt der deutsche Intendant zum Vorpreschen der Franzosen? "Der Aufbau nationaler Plattformen steht nicht im Widerspruch zum Ziel einer europäischen Infrastruktur", teilt Wilhelm mit. Allerdings wünsche er sich gemeinsame europäische Standards für nationale Plattformen. Diese begünstigten die Entstehung eines "europäisches digitalen Ökosystems".

In Frankreich hat sich mittlerweile auch der Staat eingeschaltet in den Konkurrenzkampf mit den großen Streaminganbietern. Im Zuge einer Medienreform will der Kulturminister Franck Riester Netflix und Amazon künftig verpflichten, 16 Prozent ihres in Frankreich erzielten Umsatzes in französische Produktionen zu investieren. Das wären bei den 500 Millionen Euro, die Streamingdienste in Frankreich 2018 geschätzt umgesetzt haben, 80 Millionen Euro, wie die französische Finanzzeitung Les Échos berechnet. Sollten die Anbieter die neue Regel nicht einhalten, kann sich der Kulturminister auch vorstellen, die Streamingdienste abzuschalten.

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