Komödie:Freiheit dem Wellensittich

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Kunde Lotzmann (J. Gudzuhn), Verkäuferin Gabi (C. Große) und Staubsauger Fuzzbuster 500 mit Vogel. (Foto: Dennis Pauls/ARD Degeto)

Staubsauger schluckt Vogel: Regisseur Axel Ranisch erzählt die turbulente Geschichte der völlig verrückten Familie Lotzmann.

Von Carolin Werthmann

Womit fängt sie an, diese Geschichte, die sich vornimmt, die Chronik einer Familie am Rande des Nervenzusammenbruchs zu sein? Welches Ereignis bringt die skurrilen Geschehnisse in Gang, welche Konflikte halten sie am Laufen? Für Drehbuchautor Sönke Andresen war es der Wellensittich. Konkret: Ein Wellensittich namens Herr Neumann, dessen Vogel-Leben vermeintlich im Staubsauger endet und den pensionierten Hubert Lotzmann auf seine Heldenreise durch ein deutsches Kaff schickt. So kurz ließe sich Familie Lotzmann auf den Barrikaden von Regisseur Axel Ranisch umschreiben, doch würde man dem Film damit nicht gerecht, und bevor Sorge entsteht: Kein Tier kam bei den Dreharbeiten zu Schaden.

Also erst einmal von vorn. Im Reihenhaus 35 leben Rentner Hubert (Jörg Gudzuhn) und seine Frau Annemarie (Gisela Schneeberger), seit 40 Jahren sind die beiden ein Ehepaar, sie tunkt täglich sein Gebiss in Drei-Phasen-Reiniger. Tochter Bille (Eva Löbau) ist längst aus dem Haus, gelegentlich sucht sie Unterschlupf bei den Eltern. Immer, wenn sie auf dem Dach des neugebauten Mediadiscounters gegen Konsum und Plastik demonstriert und von der Polizei verfolgt wird. Und dann ist da noch jener Herr Neumann, der Wellensittich, der im großzügigen Vogelkäfig residiert, liebevoll umsorgt von Annemarie, bis er irgendwann zum Opfer des zu ausgeprägten Ordnungsinns von Hubert wird.

Ranischs Komödie zeigt bewusst überzeichnete Figuren, die sich in liebevoll-abstrusen Szenen zu Sympathieträgern mausern.

So glaubt Hubert, mit dem "Fuzzbuster 500"-Staubsauger den Käfig reinigen zu müssen - und weg ist der Vogel. Der Fuzzbuster rotiert, raucht, lässt sich nicht mehr öffnen. Eine Katastrophe so gravierend wie die Tatsache, dass Hubert in all der Aufregung den 70. Geburtstag seiner Frau vergessen hat, und das obwohl das Haus von Annemaries schrulligen Schwestern mit Kuchen und Muffins belagert wird. Hubert sprintet los in der Hoffnung, ein Experte könne Herrn Neumann aus dem Fuzzbuster befreien. So landet er schließlich bei dem Mediadiscounter, gegen den die eigene Tochter auf die Barrikaden geht. Damit ihm dort jemand das verdammte Haushaltsgerät repariert, muss er allerdings ähnliches tun.

Familie Lotzmann auf den Barrikaden ist der erste Fernsehspielfilm von Axel Ranisch, einem Regisseur der Berliner Schule, dessen Werk ähnlich dem seiner Kollegen Jakob und Tom Lass auf Improvisation und Drehbuchskeletten basiert, und in den vergangenen zwei Jahren durch mehrere Tatorte, Inszenierungen an der Bayerischen Staatsoper und einen Roman ergänzt wurde. Ranischs Familiengeschichte ist unterhaltsam und glänzt durch trockenen Humor und seine Liebe zu kauzigen Figuren fortschrittlichen Alters. Klamauk im Kaff also mit einem pinken Konsumtempel, bei dem ein skatender Familienvater auf einem Staubsauger genauso wenig fehlt wie ein Filialleiter, der seine Kassiererinnen in Hasenkostüme steckt und zur Eröffnung des Discounter alberne Tänze präsentieren lässt. Was aus dem absorbierten Wellensittich wird, löst der Film im großen Finale auf.

Familie Lotzmann auf den Barrikaden , ARD, 22.45 Uhr.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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