Kiosk:Freiheit in der Nische

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Feminismus seit zehn Jahren. Das Missy Magazine will nah an der Zielgruppe sein. Auch mit Prämien von Tattoos bis Sexspielzeug. (Foto: Missy Magazine)

Das feministische "Missy Magazine" wird zehn Jahre alt und ist knapp bei Kasse. Nun sammelt die Redaktion Geld.

Von Julian Dörr

Fragt man Sonja Eismann, Chefredakteurin und Mitgründerin des Missy Magazine, was genau sie zu einer Crowdfunding-Kampagne bewogen hat, antwortet sie knapp: "Ein Blick aufs Bankkonto." Es ist eine besondere Zeit im Printjournalismus, je nach eigener wirtschaftlicher Lage mag man sie interessant nennen - oder düster. Die Neon ist tot. Die Intro wird im Juli eingestellt. In der Nische am Kiosk, wo es unbequem ist, anders und jung, wird es eng. Das Missy Magazine ist ein Gesellschaftsmagazin für Frauen, ein Magazin für Pop und Feminismus. Mit anderen Worten: Nische.

Sonja Eismann hat Missy vor zehn Jahren zusammen mit Stefanie Lohaus und Chris Köver gegründet. Jetzt, zum zehnten Geburtstag, kämpft das Magazin zwar nicht ums Überleben. Prekär ist die Situation aber dennoch. Das Heft erscheint zweimonatlich im Selbstverlag, doch obwohl die Zahl der Abos steigt, müssen die Redakteurinnen ihren Lebensunterhalt durch andere Jobs querfinanzieren. Das Magazin wirft Geld ab, aber als einzige Verdienstquelle reicht es nicht. Aber niemand, das sagt Eismann deutlich, arbeitet umsonst. Das Bild von der feministischen Selbstausbeutung für die gute Sache sei problematisch, das wolle man nicht noch weiter unterstützen. Mit einem Crowdfunding will sich die Redaktion nach eigenen Angaben nun Sicherheit schaffen und Freiheit.

"Mehr Missy", heißt es in einem Video zur Kampagne. Mehr Veranstaltungen, mehr Ausgaben pro Jahr, mehr Möglichkeiten. Und eine zusätzliche Online-Redakteurin, um schneller und besser auf die Debatten der Zeit reagieren zu können. Debatten, die das Missy Magazine auf Augenhöhe mit seinen Leserinnen und Lesern führen will. Dieser Wunsch nach Nähe zur Zielgruppe spiegelt sich auch in der Crowdfunding-Kampagne wider. Die Prämien, mit deren Hilfe bereits mehr als 30 000 Euro eingesammelt wurden, sind auf die Community zugeschnitten. Von der Tasse (noch zu haben) über das Logo-Tattoo (ausverkauft) bis zur Sexspielzeugbox für alle Gender und Vorlieben (ausverkauft). Anzeigenseiten gibt es auch (bisher gebucht: keine). Um in der Nische zu überleben, muss man eine Marke sein, die zum Leben und Lifestyle der Konsumenten passt. Wie schafft man das? "Indem wir versuchen, keine Marke zu sein", sagt Eismann. Missy berichtet über das, was Missy bewegt.

Die großen Werbekunden, die Anzeigen in Frauenmagazinen schalten, findet man hier nicht, weshalb Abos für das Magazin besonders wichtig sind. Und der unmittelbare Kontakt zu den Leserinnen und Lesern, die nun mittels Crowdfunding dabei helfen, die Zukunft des Magazins zu sichern. "Wir kommen aus einer Community", sagt Eismann, "und wir leben davon, dass diese Community uns unterstützt."

Wie wirbt ein Heft, das oft genug unbequeme Positionen einnimmt?

Das ist, bei all den Nachrichten über eingestellte Printmagazine, eine hoffnungsvolle Idee: Dass man eben nicht mehr die ganz große Modeanzeige mit dem einschlägig problematischen Frauenbild einsammeln muss, um ein Heft zu finanzieren. Für ein unbequemes Medium, das Position bezieht in gesellschaftlichen Debatten - etwa der über ein Werbeverbot für Abtreibungen - sind Kampagnen wie diese offenbar eine Möglichkeit, Unabhängigkeit zu bewahren in einem Umfeld, das immer unwirtlicher wird.

© SZ vom 29.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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