IS-Doku:Ich war hier

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Jürgen Todenhöfer bereist den Islamischen Staat. Wer sich nicht ständig ärgern will, sollte dessen Selbstbespiegelung ausblenden und sich auf den Inhalt konzentrieren.

Von Tomas Avenarius

Wer Jürgen Todenhöfer kennt, weiß, dass dem Mann Eitelkeit nicht fremd ist. Wenn Todenhöfer also sagt, dass er der erste westliche Publizist ist, der "das Herrschaftsgebiet des Islamischen Staats besucht hat und lebend zurückgekommen ist", dann meint das zweierlei. Einerseits die Ankündigung dessen, wovon sein Film handeln wird - eine Reise durch das Land der Kopfabschneider und ein möglicherweise aufschlussreicher Einblick in das Regime der brutalsten islamistischen Terrorgruppe überhaupt. Und andererseits ein 45-Minuten-Schlaglicht auf Todenhöfer als einen, der nahe dran sein will an den Konflikten in Nahost und sich nicht fürchtet, sein Leben zu riskieren.

Letzteres ist eher langweilig, da einige Berichterstatter in Nahost ihr Leben aufs Spiel setzen und viel zu viele, wie der vom IS ermordete Amerikaner James Foley, es verloren haben. Was nicht in Frage stellt, dass Todenhöfer Mut gezeigt hat mit der Reise ins Kalifat: Die Sicherheitsgarantie der Militanten hätte nicht einmal das graustichige Papier wert sein müssen, auf die sie geschrieben worden war.

Weshalb derjenige, der sich Todenhöfers Dokumentarfilm Inside IS ansehen möchte, die Selbstbespiegelung des Filmemachers ausblenden und sich auf den Inhalt konzentrieren sollte (wobei gelegentliche Heiterkeit erlaubt ist, etwa, wenn der deutsche Nicht-Muslim Todenhöfer als einziger in einer Gruppe Basarhändler einen schlecht gewickelten Turban trägt, während die Araber ihrem Haupthaar reichlich Luft gönnen).

Wie nicht anders zu erwarten, dürfen Todenhöfer und sein Sohn, der die Kamera führt, sich nicht frei bewegen. Sie müssen drehen, was ihnen vorgesetzt wird. Und das erinnert an das, was Berichterstattern in Nordkorea oder im Syrien Baschar al-Assads gezeigt wird. Menschen, die Regime und Ideologie bejahen. Dazu das, was solche Systeme als Offenheit verkaufen: Kriegsgefangene, die erklären, dass sie gut behandelt werden. Richter, welche die dank der Scharia angeblich sinkende Zahl an Verbrechen preisen. Ärzte, die angebliche Drohnenangriffe der US-Luftwaffe auf Krankenwagen mit Zivilisten anprangern. Sonst oft aus dem Auto gedrehte, gelegentlich verwackelte Bilder aus dem Reich des Bösen. Dessen Straßenszenen sehen aber auch nicht viel anders aus als die im IS-freien Teil des Irak oder Syriens.

Mehr war wohl nicht zu holen, bis auf die einfältigen Kommentare eines deutschen Dschihadisten, der in länglichen Interviews die Ideologie des Kalifen rechtfertigen darf nach dem Motto: Köpfen und Sklaverei sind Teil unserer Religion, das ist so und wird so bleiben. Wirklich aufschlussreiche Analysen sind dem Filmmaterial nicht hinzugefügt worden, außer, einer begreift die Einsicht Todenhöfers in die kontraproduktive Wirkung des westlichen "Kriegs gegen den Terror" als neu: "Und heute haben wir hunderttausende Terroristen." Für diese Binse hätten Todenhöfer und sein Sohn ihr Leben nicht riskieren müssen.

Inside IS , Phoenix, 21.30 Uhr.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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