Alles, was man über Jonathan wissen muss, passt auf ein Blatt Papier. Dieses Blatt radiert der junge Israeli regelmäßig aus, um es neu beschreiben zu können. Er hat weder Vergangenheit noch Zukunft, ist ganz Gegenwart. Jede neue Frau ist stets die fürs Leben, nach fünf Tagen schon stellt er sie seinem Vater vor. Den schildert er in den tollsten Farben, obwohl es sich um einen abgehalfterten, wenig charismatischen Alten handelt. Nach einiger Zeit jedoch trennt er sich von jeder Frau, dann schmeißt er immer auch seine Kleidung weg, legt sich einen neuen Kosenamen zu, zerstört die Sim-Karte in seinem Handy. Radiert aus und schreibt neu.
Mirna Funk porträtiert in ihrem Hörspiel Auf einem einzigen Blatt Papier einen Menschen, der das glatte Gegenteil ist von seinen Generationsgenossen, die ihr Leben in stetig wachsenden Datenbergen archivieren. Jonathan schafft sich stattdessen als Persönlichkeit ab. Er wird beinahe körperlos, er reist nicht, weil er sich dann - diese Option gibt es, er schlägt sie aus - als Jude in Berlin zu einem historischen Kontext verhalten müsste. Jonathan ist aber nur Reaktion auf ein Gegenüber, nach dem er sich komplett ausrichtet. Thomas Hauser spielt diesen entflammbaren Mann ohne Eigenschaften in Stefanie Rams Inszenierung. Er denkt alles absolut. Und ist dabei keine theoretische Versuchsanordnung, sondern ein in seiner Radikalität gefangener Menschen.
Auf einem einzigen Blatt Papier , Bayern 2, Sonntag, 15.05 Uhr.