Im Radio:Dichter Nebel

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Im bayerischen Ingolstadt herrscht maximale Verwirrung: Die vier Protagonistinnen sind sich plötzlich nicht mehr sicher, wer hier seine Kindheit verbracht hat - und warum das Meer so nah ist. Eine Hörspielgroteske.

Von Stefan Fischer

Eigentlich heißt es von Bielefeld, dass es die Stadt gar nicht gibt. Aber Ingolstadt? War man doch selbst schon. Vor allem aber erinnern sich in dieser Geschichte drei Freundinnen ganz genau, auf welche Schulen sie dort gegangen sind, welche Lehrer sie hatten. Nur die vierte von ihnen erinnert sich nicht. Weil es Ingolstadt eben doch gar nicht gibt? Oder weil es diese Kindheiten und ihre Überschneidungen nie gegeben hat? Jedenfalls nicht in dieser Stadt und zu dieser Zeit.

Hannes Beckers Hörspiel Die Symptome von Ingolstadt ist maximal verwirrend. Weil nichts sicher ist in dieser Geschichte, nicht einmal Raum und Zeit lassen sich bestimmen. Nur so viel ist klar: Wir können uns nicht in der Gegenwart befinden. Wohl eher in einer Zukunft, und in der Zwischenzeit ist etwas Unerfreuliches passiert. Das Quartett junger Frauen ist unterwegs in einer Gegend, die angeblich Oberbayern ist und die sich aber nicht besonders gut anfühlt. Ingolstadt könnte irgendwo hier liegen. Aber warum ist dann das Meer so nah? Haben wie die Apokalypse bereits hinter uns? Andererseits: Vielleicht ist das Meer gar nicht in der Nähe. Dass man es über geheimnisvolle Leuchthäfen leicht erreichen kann, besagt noch nichts. Wer weiß, welche Portale es in Zukunft gibt - Leuchthäfen zum Beispiel -, durch die man ungleich schneller den Ort wechseln kann als heutzutage. Wir sind doch in der Zukunft, oder?

Endlich ist es von Ingolstadt aus nicht mehr weit ans Meer

Womöglich sind wir aber auch in einem Hirngespinst. In dem ein Ort erfunden wird, den es längst schon gibt. Eine Fiktion also, die sich um die Realität nicht schert. Und in der alle Ähnlichkeiten zufällig sind. Henri Hüster, der im Juni bereits Final Girls von Gerhild Steinbuch für den BR inszeniert hat, tut in seiner zweiten Hörspielregie so, als wäre alles normal. Und brettert dennoch mit Vollgas in einen Nebel hinein, der sich nicht lichten will. Wer sich als Hörer darauf nicht einlassen mag, weil es ihn zurück ans Licht drängt, der fliegt aus der Kurve. Wer mitfährt, bekommt jede Menge Gespenster zu sehen - oder kann sie sich herbeifantasieren. Man sieht ja ohnehin nichts. Ist schließlich ein Hörspiel.

Die Symptome von Ingolstadt , Bayern 2, 21.05 Uhr

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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