Im Fernsehen:Fünf Sekunden

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In Not: Annett (Veronica Ferres) und Ronald (Oliver Stokowski). (Foto: ZDF/Jan Fehse)

Nach einem Schlag im Boxring verliert ein Familienvater sein Kurzzeitgedächtnis, er vergisst alles. Ein ZDF-Drama mit Veronica Ferres und Oliver Stokowski erzählt vom Zerbrechen seiner Familie - und einem kranken Gesundheitssystem.

Von Runa Behr

Er sei ja nicht todkrank, beschwichtigt die Ärztin. Sie meint das aufmunternd. Seine Ehefrau aber entgegnet: "Na und? Was er hat, ist noch viel schlimmer."

Die Krankenkasse mauert, erhöht die Pflegestufe von Annetts Mann Ronald nicht. Er könne sich schließlich selbst anziehen und waschen, er esse alleine. Einen Fall wie Ronald kennt das deutsche Gesundheitssystem nicht. Er sieht gesund aus, klingt gesund. Zumindest, solange man mit ihm über die Zeit vor dem Unfall spricht. Aber eben nur dann.

Ein harter Schlag beim Boxtraining hat sein Kurzzeitgedächtnis zerstört. An alles nach diesem Unfall kann sich Ronald (Oliver Stokowski) nur fünf Sekunden lang erinnern, an guten Tagen sind es zehn. Wie ein solches Leben aussieht, was ein solches Leben für die Familie bedeutet, davon handelt das TV-Drama Tod auf Raten. Andreas Arnstedt ist für Buch und Regie verantwortlich, er erzählt darin die Geschichte seines eigenen Vaters. Und legt dabei den Fokus auf die Angehörigen.

Schließlich wirft sich die Frau des Erkrankten in die Arme des Anwalts. Nun ja

Auf Annett, gespielt von Veronica Ferres, die weinend zusammenbricht, sich trostsuchend an ihren Mann Ronald (Oliver Stokowski) klammert, der ihr den Rücken streichelt, ohne zu wissen, was los ist. Würde man ihm die Situation schildern, er hätte sie sofort wieder vergessen.

Die Familie will nicht ohne Ronald, kann aber auch nicht länger mit ihm. Denn eigentlich braucht er eine Rundumbetreuung, die Annett und der gemeinsame Sohn Florian (Constantin von Jascheroff) alleine nicht bewerkstelligen können. Also sperrt die Mutter ihren Mann in den Hobbykeller, anfangs nur, um ihre eigenen, dringenden Pflichttermine erledigen zu können: beim Arbeitsamt, das droht, ihre Bezüge zu streichen, bei der Bank, die das Haus zwangsversteigern will. Doch der Druck wächst.

Der Anwalt der Familie (Matthias Brenner) hilft - zunächst nur juristisch, dann kümmert er sich auch privat um Annetts Wohl. An dieser Stelle flacht der Film leider ab: Die Konstellation von der Frau, die sich in die Arme eines starken Mannes rettet, jene Romanze zwischen Anwalt und Mandantin, lebt in dem Film nicht richtig auf, Ferres und Brenner gelingt es nicht, die Funken sprühen zu lassen. Soll das so? Annetts Erschöpfung zwischen eigenen Bedürfnissen und Verantwortungsbewusstsein, ihrer inneren Leere wegen? Nun ja. Ihr Versuch jedenfalls, Ronald in einem Pflegeheim unterzubringen, scheitert, nervlich am Ende trifft sie letztendlich eine schwierige Entscheidung.

Tod auf Raten ist ein ruhiger Film, der sich phasenweise auch in die Länge zieht. Die immer gleichen Fragen Ronalds, die immer gleichen Antworten seiner Familie. Doch genau diese Längen spiegeln das ganze Drama, bilden sie doch eindrücklich den harten Alltag pflegender Familien ab - und wie sehr das deutsche Gesundheitssystem überlastet ist, das mindestens so sehr krankt wie die Patienten, die es umsorgen sollte.

Diesen Konflikt darzustellen, war wahrscheinlich Ferres in der Rolle der Ehefrau zugedacht, doch es ist vor allem Constantin von Jascheroff als Sohn Florian, der all das sehr lebendig in Gefühle verwandelt. Er will raus aus der Enge der Berliner Vorortsiedlung, die immer ärmlicher werdenden Verhältnisse hinter sich lassen, ja vor allem die Eltern. Seine Wut richtet sich nicht gegen den Vater, sondern gegen seine Situation. Mal schreit er sie laut hinaus, seine Hilflosigkeit, dann wieder schluckt er all seine Gefühle, richtet sie nach innen, sodass man ihn kurz vor dem Implodieren glaubt.

Tod auf Raten , ZDF, 22.15 Uhr.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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