Hightech-Hospital:Wie geht es uns?

Lesezeit: 2 min

Doktor Walter Wallace (Dermot Mulroney) ist ein Medizin-Genie im Hospital der Geistesblitze. (Foto: Bill Inoshita/Pro Sieben)

"Pure Genius" möchte die Krankenhaus-Serie des digitalen Zeitalters sein. Das sieht super aus - aber Ärzte als TV-Helden danken ab. Leider.

Von Benedikt Frank

Bei Pro Sieben wurde kürzlich ein neuer Patient eingeliefert, der alle Symptome einer Krankenhausserie zeigt und doch kein Routinefall ist. Ein solcher ist schließlich selbst den viel gemächlicheren Ärzten des öffentlich-rechtlichen Vorabendprogramms zu unspektakulär. In der Konkurrenz um Aufmerksamkeit muss die Privatklinik natürlich etwas Außergewöhnliches bieten: Pure Genius möchte die Krankenhausserie des digitalen Zeitalters sein.

Dazu braucht sie natürlich Personal aus dem Silicon Valley. James Bell ist ein großer Visionär, der mit seinem Reichtum die Gesundheitsbranche revolutionieren will. Sein Gottkomplex bringt ihn auf Ideen, die sogar die Science-Fiction-Fantasien realer Tech-Millionäre wie Elon Musk bodenständig aussehen lassen. Bells Klinik steckt voller Technik, die nicht nur Wunder wirkt, sondern praktischerweise äußerst telegen ist. Auf die Zimmerwände lassen sich etwa die durchdesignten Gesundheitsdaten der Patienten riesengroß projizieren. Ein halbtransparenter Tablet-PC muss nur grob in Richtung Babybauch gehalten werden, schon zeigt er ein Live-Ultraschallbild in 3D. Es ist, als sei die Ästhetik des populären Krimifranchise CSI der düsteren Pathologie entkommen, um sich nun auf einer anderen Station dem Wohl der Menschen zu widmen.

So kommt es, dass die Ärzte nicht nur durch die medizinische Fachsprache wie Magier wirken. Ihre Techno-Esoterik scheint umso besser zu wirken, je hoffnungsloser ein Fall ist. Eine Trinkerleber kann in Pure Genius etwa durch eine kleine Injektion nicht nur binnen Sekunden geheilt, sondern gleich transplantationsfähig gemacht werden. Wenn das die Spirituosenindustrie wüsste.

Wichtig ist dabei nur, dass die Hightech-Medizinmänner nach wie vor Menschen sind. Denn es geht in Krankenhausserien nicht so sehr um medizinische Fragen, sondern um das Zwischenmenschliche, dem die Klinik eine perfekte Bühne bietet. Natürlich wären in einem Umfeld, für das autonomes Fahren selbstverständlich ist, Roboterchirurgen die logische Konsequenz der Serienidee. Aber dann gäbe es keine Arzt-Figuren mehr, die rund um das Leid einzelner und wechselnder Patienten ihre eigenen Tragödien aufführen. Bell, für den das Krankenhaus ein modernes Start-up ist, braucht Mediziner, die ihm zum Beispiel ihre ethischen Bedenken entgegenhalten.

Trotzdem: Die Ärzte sind, obwohl das nicht Absicht der Macher sein kann, in Pure Genius bereits abgeschafft. Sie wissen es nur noch nicht, weshalb sie weiter durch die Flure laufen und wie TV-Doktoren reden. Sie sind nicht mehr die Stars. Ihre Heldenrolle füllt die Technik stoisch aus, alles Menschliche versucht notdürftig, den Rahmen mit Emotionen zu füllen. So ist es nicht überraschend, dass der amerikanischen Sender CBS sich gegen lebensverlängernde Maßnahmen entschied und die Serie bereits im Mai mangels Publikumsinteresse absetzte.

Pure Genius , Pro Sieben, mittwochs, 20.15 Uhr.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: