Gebärdendolmetscherin:"Ich muss sehr viel von mir zeigen"

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Laura Schwengber beim Musikdolmetschen, hier mit Frank Dellé, dem Sänger von Seeed. (Foto: Boris Saposhnikow)

Laura Schwengber übersetzt beim Eurovision Song Contest die Musik für Gehörlose. Wie geht sowas?

Interview von Ruth Schneeberger

Laura Schwengber lebt in Berlin und ist viel unterwegs. Die 28-Jährige übersetzt Musik in Wort und Text für Gehörlose - die sie lieber Taube nennt, weil "gehörlos" als defizitorientiert betrachtet werde. Inklusion ist ihr ein natürliches Anliegen, seit sie zusammen mit ihrem besten Freund Edi, der im Kindesalter erst taub und später blind wurde, neue Gebärden erfand, um weiter mit ihm kommunizieren zu können. Heute ist sie staatlich anerkannte Gebärdendolmetscherin, ihr Schwerpunkt liegt auf dem Übersetzen von Musik - so wie beim Eurovision Song Contest am kommenden Samstag.

SZ: Frau Schwengber, Sie müssen uns erklären: Was haben Taube von einer Sendung, bei der es ums Singen geht?

Laura Schwengber: Ich habe auch lange gedacht, dass Taube mit Musik nichts anfangen können. Aber dann hat der NDR mich angefragt, Musikvideos in Gebärdensprache zu übersetzen. Ich dachte erst: Wozu? Das Feedback zu den ersten Videos war aber so überwältigend, dass mir klar wurde: Mein Horizont war einfach zu klein.

Welches Feedback haben Sie bekommen?

Was die Leute mir rückmelden, ist, dass sie auf jeden Fall Berührung mit Musik haben: Sie sehen überall Leute mit Kopfhörern, Plakate für Musik und lesen in TV-Untertiteln, dass eine Szene mit einer bestimmten Musik unterlegt ist. Teilweise gehen Taube auch auf Konzerte, mit ihren hörenden Kindern oder Freunden. Dass jetzt auch der ESC gedolmetscht wird, führt dazu, dass es in der Community schon Wochen vorher große Aufregung darüber gibt, welches Land wen schickt, wer das entscheidet und was gesungen wird. Viele berichten mir, dass sie jetzt endlich verstehen, was Hörende an diesen Festivals und Konzerten finden. Andere können kaum glauben, mit was für banalen Texten wir uns abgeben. Ich finde das toll, das ist Inklusion. In den USA gibt es Musikdolmetschen schon länger, bei uns hat es erst 2013 richtig angefangen. Inzwischen dolmetsche ich 50 bis 60 Konzerte im Jahr.

Beim ESC haben Sie Kolleginnen, die Sprachen und Moderationen dolmetschen, Sie selbst sind fürs Übersetzen der Musik zuständig. Wie funktioniert das?

In meinem täglichen Beruf, dem Dolmetschen von Sprache, versuche ich, nichts von meinen persönlichen Empfindungen da rein zu geben. Bei Musik ist die große Herausforderung, es genau anders zu machen. Dafür nutze ich viel mehr von meinem ganzen Körper. Wenn der Sänger weint, muss das auch bei mir so aussehen. Wenn die Sängerin wild ausflippt, muss ich mithüpfen. Es soll ein schönes Gesamtbild ergeben. Es soll nicht die spannende Show auf der Bühne sein und dahinten eine Ecke für die Behinderten.

Was ist die größte Herausforderung?

Ich habe manchmal das Gefühl, ich muss mich ganz nackig machen vor der Kamera. Ich muss sehr viel von mir zeigen und davon, wie es mir geht. Und ich weiß aus dem Feedback: Ich muss immer noch eine Schippe drauflegen.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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