Fernsehwerbung:Bahn frei

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Deutschland will mehr TV-Werbung zulassen. Das steht in einem Positionspapier, das jetzt zur EU nach Brüssel geht. Nur: Wollen die Leute auch mehr TV-Werbung sehen?

Von Claudia Tieschky

Deutschland tritt für eine umfassende Liberalisierung der Fernsehwerbung ein. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das Bund und Länder der EU-Kommission übermittelt haben. Die zeitliche Beschränkung von Fernsehwerbung solle demnach auf europäischer Ebene aufgegeben werden. Privatsendern ließe das praktisch freie Hand über Menge und Art der Spots. Bisher ist die Werbezeit auf 20 Prozent oder zwölf Minuten pro Sendestunde begrenzt. "Die quantitativen Werberegeln sollen weitestgehend abgeschafft werden", heißt es in dem Papier, das die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, CDU, und die Vorsitzende der Rundfunkländerkommission Malu Dreyer, SPD, zusammen nach Brüssel übermitteln. Die EU-Kommission will bis Sommer 2016 die bisher gültigen Regeln für sogenannte Audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) neu fassen.

Nach dem Willen Deutschlands soll es allerdings für Kindersendungen, Nachrichten und Übertragung von Gottesdiensten bei den heutigen EU-Standards bleiben; für sie gelten strengere Richtlinien. In Deutschland dürfen Gottesdienste und Kindersendungen derzeit überhaupt nicht von Werbung unterbrochen werden. Alle sogenannten qualitativen Auflagen - etwa die klare Trennung von Werbung und Programm und Auflagen von Jugend- oder Verbraucherschutz - sollen bleiben. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland gibt es besondere Bestimmungen, dort ist, unabhängig von den EU-Regeln, Werbung nach 20 Uhr verboten. Das würde auch so bleiben.

Der deutsche Vorschlag räumt den Privatsendern weitgehende Spielräume ein. Sie betreffen nicht nur die Menge an Werbezeit; auch für mehr Einzel-Spots, die höhere Attraktivität und bessere Preise bringen, gibt das Papier die Bahn frei.

Der Vorschlag, der in einer von Bayern geführten Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz ausgehandelt wurde, folgt einer Forderung der Privatsender, die Gesetze an die digitale Zeit anzupassen. Denn während von den meisten Zuschauern auch Web-Streams längst wie Fernsehen genutzt werden, gelten für beide Bereiche bislang vollkommen unterschiedliche Regelwerke. Ein Film im normalen Fernsehprogramm ist zeitlichen Werbebeschränkungen unterworfen. Wird derselbe Film in einer Mediathek oder bei einem Streamingdienst gezeigt, gelten sie nicht.

Wollen die Zuschauer wirklich mehr Spots im Fernsehen?

Die Regeln der EU-Richtlinie sollen nun nach dem deutschen Vorschlag umgekehrt auch für Web-Inhalte gelten, wenn sie "geschäftsmäßig" sind, also etwa mit der Absicht entstehen, Gewinn zu machen. Die Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen Diensten sei "nicht mehr zeitgemäß", heißt es in dem Positionspapier.

Das Geschäft mit Fernsehwerbung ist derzeit sehr lohnend, der Privatsenderverband VPRT hat hier gerade 2,5 Prozent mehr Umsatz für 2015 prognostiziert. VPRT-Chef Tobias Schmid sagte der SZ: "Im Moment würde man vielleicht in Einzelfällen auch mehr Werbung senden, wenn man könnte." Er sieht den Hauptvorteil von liberaleren Regeln aber in einer "Flexibilisierung". Vor allem die Möglichkeit zu Flexibilität im Tagesverlauf, zu Single-Spots oder Split-Screen-Werbung etwa bei der Formel 1 sei attraktiv. Er weiß aber auch, dass die Zuschauer nicht bereit sind, sich endlos Spots anzusehen: "Wenn wir mit Werbung fluten, führt das zu nichts."

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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