Fernsehtipp:Eine schlingernde Liebe

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Der Spielfilm "Zwischen Sommer und Herbst" zeigt die Beziehung zweier sehr unterschiedlicher Frauen - und lässt Ostwestfalen glänzen.

Von Kathrin Müller-Lancé

Die große Liebe kommt ja meist ganz unverhofft. In diesem Fall sitzt sie auf der Anrichte in der nächtlichen Küche, als Eva sich im Schlafanzug einen Orangensaft aus dem Kühlschrank nehmen will. "Gläser sind im Schrank", sagt Lena zur Freundin ihres Bruders. Gleich der erste Dialog dieses Liebesfilms, den der RBB zeigt, sitzt:

"Ziehst du das immer an, wenn du irgendwo einbrichst", fragt Lena die Besucherin.

"Ich bin Eva, Jonas' Freundin."

"Ah ja, das sagen sie alle - Lena, die kleine Schwester."

"Das sagen sie alle."

Die Stimmung zwischen den jungen Frauen wird schnell vertraut, nur wenige Sätze später bietet die eine der anderen einen Ohrstöpsel zum Mithören ihrer Musik an. Es ist der Beginn einer schlingernden Liebesgeschichte, die so manches Hindernis zu überwinden hat. Zunächst ist da natürlich Jonas, Evas Freund und Lenas Bruder. Ihm verschweigen die Mädchen ihre besondere Beziehung, die Aussprache lässt lange auf sich warten. Hinzu kommen die sehr unterschiedlichen Lebensphasen: Lena ist 17, in Liebesdingen unerfahren und steht kurz vor einem Auslandsjahr in Argentinien. Eva ist 24, hat einen festen Studienalltag und zumindest mit Männern schon einige Erfahrungen gemacht.

Anders als man vielleicht denken könnte, arbeitet die Handlung nicht auf ein Finale am Flughafen hin, kurz vor Lenas Aufbruch nach Argentinien. Es gibt dort einen kleinen Showdown, das schon, aber dann geht der Film einfach weiter, wie das richtige Leben.

Erst nach einem Sprung von zwei Jahren treffen sich die beiden Frauen wieder, da studiert Lena schon in Luxemburg. Und auch dann ist nicht sofort alles wieder gut. Der Regisseur und Drehbuchautor Daniel Manns widersteht zum Glück der Versuchung, die homosexuelle Beziehung ins Zentrum des Films zu setzen. Die Schwierigkeit ist hier nicht, dass zwei Frauen sich lieben - sondern zwei Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen von Bindung. Die eine kommt aus instabilem Umfeld, kennt ihren Vater nicht und ihre Mutter kaum. Die andere ist behütet aufgewachsen, mit Vater, Bruder und Häuschen im Grünen.

Diesen Gegensatz hätte Manns ruhig etwas subtiler ausarbeiten können. So ist die Familie von Lena schon fast anstrengend nett: Der Vater verleiht großzügig seine Haus- und Autoschlüssel; als seine Tochter Trost braucht, serviert er ihr den in Form von drei Töpfen Eiscreme. Auch ihr Bruder Jonas bleibt trotz der verzwickten Situation stets gelassen und liebenswert. Nachdem er sich mit Lena ausgesprochen hat, wirft sie ihm vor: "Kannst du mal aufhören, so scheiß verständnisvoll zu sein?"

Dass dieser trotzdem sehenswerte Film überhaupt zustande kam, ist der Ausdauer seiner Macher zu verdanken. Sechs Jahre hat die Produktion gedauert. Erst scheiterte der Antrag auf Filmförderung, dann ein Crowdfunding-Versuch, schließlich sprangen auch noch die ursprünglich gecasteten Hauptdarstellerinnen ab. Gedreht wurde am Ende in Bielefeld und Luxemburg. Die Schauspielerinnen, die Daniel Manns für die Hauptrollen gefunden hat, machen ihre Sache gut. Isabel Thierauch (Eva) und Linn Reusse (Lena) harmonieren als holpriges On-Off-Paar, das von den eigenen Ängsten eingeholt wird.

Das geringe Budget sieht man dem Film nicht an, ein bisschen weniger Idylle hätte den Bildern sogar gut getan. Zum Beispiel, wenn sich das junge Fast-Paar auf einem Roller durch die Landschaft kuschelt, unterlegt von Gitarrenmusik. Oder als Eva Lena zum ersten Mal küsst, nachdem diese ihr eine Wimper von der Wange gezupft und einen Wunsch erlaubt hat. Diese Klischee-Szenen hat die Geschichte gar nicht nötig. Wobei es ja auch schon fast wieder ein Verdienst ist, Ostwestfalen kitschig aussehen zu lassen.

Zwischen Sommer und Herbst , RBB, 0 Uhr.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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