Fälschungen:Relotius-Fall in den Niederlanden

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Peter Blasic hat stets in verschlossenen Welten recherchiert. Jetzt prüfen mehrere Medien Texte des freien Mitarbeiters, der offenbar Geschichten, Fakten und Protagonisten erfunden hat.

Von Thomas Kirchner

Der Fall Claas Relotius mag ein besonders krasser Fall von Betrug im Journalismus sein. Ein Einzelfall ist er nicht. In den Niederlanden wurde nun ein weiterer Autor entlarvt, der offenbar dubiose Geschichten in Serie produziert hat. Als Reaktion auf Recherchen der Wochenzeitung De Groene Amsterdammer zog das Magazin Nieuwe Revu am Dienstagabend 27 Artikel seines freien Mitarbeiters Peter Blasic zurück. Die von dem Reporter zitierten Quellen hätten nicht alle bestätigt werden können, schrieb das Blatt auf seiner Website. Die Zusammenarbeit sei beendet worden. Betroffen sind eine Reihe anderer Publikationen, für die Blasic schrieb, etwa Elsevier und HP/De Tijd in den Niederlanden, Knack, das linke Vierteljahrsmagazin Mo oder die Recherche-Website Apache in Belgien. Die meisten zogen Blasics Artikel zurück oder versahen sie mit Hinweisen.

Der Journalist, der zuletzt meist unter dem Pseudonym Peter Mertens veröffentlichte, habe in vielen Texten abgeschrieben oder sich auf "nicht verifizierbare Quellen" gestützt, so De Groene. Er hatte sich von 2012 an bei Publikationen als freier Mitarbeiter empfohlen. In der Regel lief der Kontakt mit den Redaktionen nur über E-Mail. Blasic lieferte Artikel über obskure und verschlossene Welten: die rechtsextreme Szene, Spionage, Rückkehrer aus Syrien, die italienische Mafia. Viele Gesprächspartner in den Texten tragen nur einen Vornamen. Aber auch wenn sie mit ganzem Namen genannt wurden, gelang es einem Rechercheteam in Dutzenden Fällen nicht, die Personen zu finden. Blasic arbeitet nicht länger als Journalist, sondern ist bei der Stadt Roermond angestellt. Reagiert hat er auf die Vorwürfe noch nicht.

Mindestens drei Publikationen wussten seit Längerem, dass Blasic unsauber arbeitet. Apache hatte sich bei dem Autor schon 2014 über einen Ukraine-Artikel beschwert, der offenbar fast vollständig aus der Zeitschrift Foreign Policy abgeschrieben war, und die Zusammenarbeit eingestellt. Frits van Exter, Vorsitzender des niederländisches Rates für Journalistik, kritisierte die Redaktionen, über ihre Erkenntnisse zu Blasic nicht früher informiert zu haben. "Als Nachrichtenmedium muss man an die Öffentlichkeit gehen, wenn man dem Publikum falsche Informationen vorgelegt hat."

Solche Dinge seien trotz Dokumentationsabteilung "nie ganz zu vermeiden", sagte Elsevier-Chefredakteur Arendo Joustra der Volkskrant. Wegen sinkender Einkünfte hätten Zeitungen und Zeitschriften immer weniger Angestellte. Gleichzeitig würden mehr Artikel publiziert, auch um genügend Klicks zu erhalten. "Man kann nicht alles kontrollieren."

In den Niederlanden wurden in den vergangenen Jahren mehrere Betrugsfälle in den Medien bekannt. Heftige Diskussionen löste 2013 ein Artikel in Trouw über ein angebliches "Scharia-Dreieck" im Den Haager Immigranten-Stadtteil Schilderswijk aus, bis sich herausstellte, dass er auf offenbar erfundenen Quellen beruhte. 2017 verlor der China-Korrespondent des NRC Handelsblad seinen Job. Nach Hinweisen seines chinesischen Mitarbeiters hatte er der Chefredaktion gestehen müssen, die Namen von Gesprächspartnern, Orte und Zitate erfunden und manches auch abgeschrieben zu haben.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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