Dokumentation:Fünfzig Jahre Porno

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Dirndl-Pornos, Aids, VHS, Camgirls, Pornosucht, Femen und #MeToo: Eine Dokuserie will ein halbes Jahrhundert Kulturgeschichte der Pornografie raffen. Sie erzählt viel Interessantes, bringt aber auch Probleme mit sich.

Von Julian Dörr

Wer mehr als ein halbes Jahrhundert Kulturgeschichte der Pornografie in eine sechsstündige Doku-Serie packen will, darf keine Zeit verschwenden. Deshalb wird man zu Beginn der ersten Folge von Porn Culture mit Infos im Sekundentakt durch die Fünfzigerjahre gejagt: Nachkriegselend, fromme Biederkeit, die Brüste von Hildegard Knef, Holocaust-Trauma. Nach fünf Minuten sitzt man mit Axel Brüggemann, Moderator und Regisseur der Serie, in Tel Aviv und bekommt die Geschichte der Stalags erklärt, jener pornografischen Literatur aus Israel, von Juden für Juden, in der Nazi-Frauen Männer foltern. Moment, ging es nicht gerade noch um die Prüderie des Wirtschaftswunderdeutschlands?

Auch wenn sich die Folge eins den Fünfzigern widmen will, geht es munter weiter durch die Jahrzehnte: Nazi-Exploitationfilme (aus den Siebzigern), eine uniformierte Domina (von heute), ein Bundeswehrsoldat, der aus seinem Mali-Einsatz mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zurückkehrte. Das alles ist interessant, aber zu einem Gesamtbild, einer Kultur, will es sich nicht so recht fügen. Dabei hat Porn Culture einen klaren Anspruch. Musikerin und zweite Moderatorin Jennifer Weist, bekannt als Frontfrau der Band Jennifer Rostock, formuliert ihn zu Beginn der Expertenrunde, die zwischen den Beiträgen von Kollege Brüggemann zu Wort kommt: "Wir wollen die Wechselwirkungen zwischen Erotik und Politik untersuchen, zwischen pornografischer Kunst und der Gesellschaft." Tatsächlich wird dann aber mehr aneinandergereiht: Kommune I, Frauenmörder Fritz Honka, Dirndl-Pornos, Aids, Camgirls, Pornosucht, Femen, #MeToo. Eine wirre Zusammenstellung, die kaum einordnet. Am ärgerlichsten sind die Fehler und Ungenauigkeiten. Da wird der Eichmann-Prozess in die Fünfziger verlegt und Los Angeles zum Zentrum der Hippie-Bewegung.

In der zweiten Hälfte wird die Serie besser, die Gäste werden interessanter, die Themen relevanter. Wirklich spannende Diskussionen aber finden kaum Platz: Wie kann es sein, dass ein einziges Unternehmen heute den Pornografie-Markt im Netz dominiert? Und was sagt es über die Deutschen aus, dass sie die eifrigsten Porno-Konsumenten sind?

Porn Culture , auf Sky.

© SZ vom 17.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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