Döris Dörrie:Die Kloster-Frau

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"Die Arbeit hatte Volker Heise, ich hatte den Spaß", sagt Dörrie über den Regisseur des Großprojekts. (Foto: Dieter Mayr/Constantin Film Verleih GmbH)

Der BR zeigt seine Langzeitdoku "24h Bayern". Ein Interview mit der Filmemacherin Doris Dörrie, die eines der 104 Filmteams leitete, die einen Tag eingefangen haben.

Interview von David Denk

Nach 24h Berlin und 24h Jerusalem haben Regisseur Volker Heise und Produzent Thomas Kufus für den BR die Herausforderung angenommen, 24h Bayern abzubilden. Mehr als 1000 Stunden Material wurden zu einem ganztägigen Doku-Programm verdichtet, das am Pfingstmontag von 6 Uhr an ausgestrahlt wird. Eines der 104 Teams, die am 3. Juni 2016 im Freistaat gedreht haben, leitete die Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie ( Bin ich schön?, Grüße aus Fukushima).

SZ: Frau Dörrie, Sie wollten unbedingt bei 24h Bayern dabei sein. Warum?

Doris Dörrie: Weil ich so ein Riesenfan von 24h Berlin und 24h Jerusalem war. Beides habe ich wirklich fast komplett gesehen - nicht am Stück durchgeglotzt, aber viele, viele Stunden, linear und später dann im Netz. Ich fand das ganz toll.

Was hat Sie daran so fasziniert?

Dieser tollkühne Versuch, eine ganze Stadt zu porträtieren und jetzt sogar ein Bundesland, dieses Mosaik aus Biografien und Ereignissen, elektrisiert die Schriftstellerin in mir, dieser unerhörte Reichtum an Geschichte und Geschichten, mit denen man durch den Tag geht. Ich bin sehr gespannt, wie das jetzt bei 24h Bayern aufgeht. Weil ich in Spanien bin, werde ich es im Livestream verfolgen.

Haben Sie denn noch gar nichts gesehen?

Nein, ich habe aber auch nicht darum gebeten, das wäre vermessen. Ich bin Zulieferer für ein tolles Projekt - und das wahnsinnig gern, aber eben einer von vielen. Mein ganzer Ehrgeiz bestand darin, dem Regisseur Volker Heise für den Schnitt das bestmögliche Material zu liefern.

Wo haben Sie gedreht?

Bei den Nonnen in einem kleinen Karmelitinnenkloster in Unterfranken, noch hinter Aschaffenburg, haarscharf an der hessischen Grenze. Das wurde mir offenbar zugeteilt, weil ich Erfahrung mit Klöstern habe. Meinen Kinofilm Erleuchtung garantiert habe ich ja in einem japanischen Zen-Kloster gedreht, und Kloster ist Kloster. Nicht nur die Protagonisten wurden Ihnen zugeteilt ...

... die ich auch hätte ablehnen können. Aber ich hab sofort gesagt: Klar, mach ich.

... sondern auch Ihr kleines Drehteam. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Fast gar nicht. Es gab ein kurzes Briefing, ein Recherchevideo und minimale Angaben zu dem, was auf uns zukommen würde. Und dann sind wir ausgeschwärmt.

Also ein Sprung ins kalte Wasser?

Das ist es eigentlich immer. Du kannst noch so gut vorbereitet sein - irgendeine Überraschung wartet am Drehort doch auf dich. Das gehört zum Beruf des Regisseurs, und gerade diese Herausforderung des Unerwarteten ist es, die mich immer wieder Dokumentarfilme drehen lässt. Ich empfinde das als Geschenk.

Womit sind Sie hier beschenkt worden?

Mit der Hingabe dieser sehr alten Nonnen. Wie man einer Idee so verhaftet sein kann, dass man sich ihr komplett hingibt! Mich fasziniert immer das, was ich nicht bin, und das, was ich nicht kann.

Aber Ihre Filmprojekte verlangen doch auch Hingabe von Ihnen?

Na ja, aber ob man 50 Jahre als Nonne auf den Knien verbringt oder drei Jahre für einen Film, macht schon einen Unterschied.

In diesem Fall war Ihr Job nach einem Tag erledigt. Wie alle Drehteams haben Sie Ihr Material in die Hände von Regisseur Volker Heise gegeben.

Und wissen Sie was? Ich fand es ganz wunderbar, dass ich eine hired gun sein durfte. Filmemachen kann ja auch ganz schön langwierig und mühsam sein. Die Arbeit hatte Volker Heise, ich hatte den Spaß .

Loszulassen fiel Ihnen nicht schwer?

Nicht die Bohne! Warum sollte es?

Weil Regisseure es gewöhnt sind, alles unter Kontrolle zu haben .

Ja, das Ego der Regisseure ist unermesslich groß.

Ihres etwa nicht?

Wahrscheinlich habe auch ich ein Ego von der Größe eines Wolkenkratzers. Aber ich versuche zumindest, es immer wieder mal ein paar Stockwerke runterzuschrauben. Wichtig ist: Man muss Vertrauen haben - und das habe ich in großem Maße zu den Verantwortlichen: Volker Heise und Zero One Film haben eine unglaubliche Erfahrung mit dem Format, und mit Franz Gernstl vom Co-Produzenten Megaherz, die auch viele Filme von mir produziert hat, habe ich vor Ewigkeiten beim BR volontiert. Solche gewachsenen Verbindungen spielen eine große Rolle dabei, ob man Ja oder Nein sagt zu einem Projekt.

Wie hoch war Ihr Honorar?

Hab ich vergessen.

Klar.

Wir haben alle ein bisschen was gekriegt, es war echt nicht viel, aber völlig angemessen für die paar Stunden Arbeit.

Kein Promi-Bonus für Doris Dörrie?

Warum denn? Das würde ich nie, nie, nie verlangen. Wenn man so ein großes Projekt gemeinschaftlich angeht, dann muss absoluter Sozialismus herrschen.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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