DLF-Hörspiel:Kreatur und Elektronik

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Man muss sich nur darauf einlassen: Die Surfer-Boys des Hörspiels haben wieder einmal zugeschlagen. Diesmal mit einem recht herausfordernden Radiostück über sinnliche Maschinen - das zu einem großen akustischen Erlebnis wird.

Von Stefan Fischer

Christian Wittmann und Georg Zeitblom sind die Surfer-Boys des Hörspiels. Der Schauspieler-Regisseur und der Bassist-Komponist schaffen in ihren Stücken stets einen elektronischen Sound, auf dem man wunderbar gleiten, den man herrlich reiten kann als Hörer. Und immer wieder wagt man sich weit weg vom sicheren Strand, hinaus in unbekannte Areale, wo es Riffe knapp unterhalb der Oberfläche gibt und einen auch mal Unterströmungen erfassen. Genau dorthin wollen wittmann / zeitblom, wie sich die beiden als Duo nennen, ihr Publikum bugsieren: wo es unwägbar wird und herausfordernd.

Das ist ihnen zuletzt mit ihrem Bauhaus-Hörspiel Audio. Space. Machine hervorragend geglückt, und es gelingt ihnen nun wieder mit ihrer neuen Produktion Tell me something good, Stockhausen!, Untertitel: "Digitale Gesänge". Hier wie dort bekommen wir es mit erstaunlich sinnlichen Maschinen zu tun, in die alles Humanoide aufgeht. Ausgangspunkt ist dieses Mal der Gesang der Jünglinge des Avantgarde-Komponisten Karlheinz Stockhausen. Der, unfähig, klein zu denken, hat 1956 ein Werk geschaffen für eine Fünf-Kanal-Technik - zu einer Zeit, als sich im Hörfunk und in der Schallplattenproduktion noch nicht einmal das Stereoverfahren durchgesetzt hatte. Inhaltlich ging es Stockhausen um die Verschmelzung von Kreatur und Elektronik.

Hier haken Wittmann und Zeitblom ein, mit den zeitgemäßen Möglichkeiten des Raumklangs. Wer Tell me something good, Stockhausen! mit Kopfhörern hört, hat ein dreidimensionales akustisches Erlebnis. Und kann - beziehungsweise muss - sich auch inhaltlich-intellektuell in alle Richtungen orientieren. Wie eine der zitat- und anspielungsreichen Textflächen Elfriede Jelineks breitet sich eine aus vielen Quellen gespeiste Geschichte aus über eine datengetriebene Wahrnehmung von Welt, die die empathisch-menschliche ablöst - jene gerne auch schizophrene, unstete und postfaktische Auseinandersetzung mit der Realität. Das, was man einmal freies Denken genannt hat.

Tell me something good, Stockhausen! , NDR Kultur, 20 Uhr. DLF, 11. April, 20.05 Uhr. Bayern 2, 17. April, 21.05 Uhr.

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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