Bayern2-Hörspiel:Hornhaut im Hirn

Sie träumen vom internationalen Kino, von coolen Streamingserien - und wo sind die Drehbuchautoren gelandet? In einem Schreibcontainer fürs deutsche Fernsehen. Ein Hörspiel aus dem Höllenschlund einer Telenovela.

Von Stefan Fischer

Ist das schon die Hölle oder noch das Fegefeuer? Internationales Kino, Streamingserien, das ist der Anspruch dieser sechs Menschen - der Himmel, in den sie emporgehoben werden möchten. Doch sie sind beim deutschen Fernsehen gelandet, sitzen in einem Container und schreiben an den nächsten Folgen der Telenovela Amelie, eine Frau kämpft um die Liebe.

Sie selbst kämpfen um ihre Jobs - der Serie droht das Ende -, um ihre Selbstachtung und um die Hackordnung im Team. Ein dreckiges halbes Dutzend lässt Claudia Kaiser da los in ihrem Hörspiel Die Schicksalsmaschine, inszeniert von Alexandra Distler: Machos, Zyniker, Kratzbürsten. Profis in einem Metier, das sie nie angestrebt haben. Sie schreiben Geschichten, die nichts zu tun haben mit ihrer Lebensrealität, ihrer Weltsicht, ihren Idealen.

Die Drehbuchautoren sind erfindungsreich, tatsächlich kreativ aber nicht. Sie haben, wie die Darsteller der Serie, die gelegentlich in den Container hereinflattern, Industriearbeitsplätze. Mit Akkordanforderungen, was zu Hornhaut an den Fingern führt - "und im Hirn", ätzt eine.

Kaiser macht ihre Protagonisten selbst zu Figuren einer Telenovela, genauer: der Karikatur einer solchen. Viel Leid, keine Liebe. Der Charme des Hörspiels ist, dass das Ensemble - Florian Karlheim, Oliver Stokowski, Franziska Schlattner, Xenia Tiling, Helmfried von Lüttichau, Hanna Scheibe und Stefan Merki - Sympathie aufbringt für die Figuren, die ihrerseits ihre Figuren nur verachten.

Die Schicksalsmaschine , Bayern 2, Samstag, 15.05 Uhr.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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