Arte-Drama:Seht mich an!

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Meine Tochter, die Mörderin: Der Spielfilm "Wir Monster" erzählt bei ARTE von einer zerrütteten Familie, die Schuld auf sich lädt.

Von Benedikt Mahler

Kinder in der Pubertät sind anstrengend, etwa wenn sie einem betrunken vor die Füße kotzen oder ihre Schulfreundinnen umbringen. Sarahs Mutter spricht von einer schwierigen Phase. Auf dem Weg ins Ferienlager schubst die 14-Jährige ihre beste Freundin Charlie von einer Stauseebrücke. Ganz absichtlich und ohne Reue, darauf besteht sie. Ihr Vater bringt sie erst einmal nach Hause - ohne Charlie, die ist nicht auffindbar, aber mit deren Rucksack, den beide noch schnell aus dem Wasser fischen.

Wenn das eigene Kind ein anderes mit einem Stock geschlagen hat, kann man dessen Eltern zum Versöhnungskaffee einladen. Bringt das eigene Kind ein anderes um, ist das schon schwieriger, merken Sarahs Eltern Christine und Paul (Ulrike C. Tscharre und Mehdi Nebdou). Müssen sie Vater Kuszinsky sagen, was passiert ist und ihre eigene Tochter anzeigen? Nach dem Warum trauen sie sich nicht zu fragen. "Sie ist ein Monster", sagt Paul. Christine dagegen deutet deren Gleichgültigkeit als traumabedingten Verdrängungsmechanismus. Einig sind sie sich zumindest: Von der Mordtat darf niemand erfahren.

Mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm gibt Sebastian Ko, der kürzlich mit der Kölner Bürgerwehr-Episode seinen zweiten Tatort inszeniert hat, Rätsel auf. Die Kameraarbeit ist konventionell, die Schnitte sind mitunter eigenwillig: So entsteht der Eindruck, das Kameraauge wüsste mehr, als es zeigt. Streckenweise ist Wir Monster so undurchsichtig wie die pubertäre Sarah selbst. Janina Fautz spielt sie derart intrigant und teilnahmslos, dass ihr alles zuzutrauen ist. Seit der Trennung der Eltern kommt Sarah zu kurz. Wie weit würde sie für die Aufmerksamkeit der Eltern gehen?

Die Frage drängt sich auf, doch eigentlich handelt Wir Monster nicht von vernachlässigten Kindern, sondern von vernachlässigenden Eltern. Die gemeinsame Schuld zwingt die zerrüttete Familie zwar wieder zusammen, doch geht es den Eltern vor allem darum, ihre Haut zu retten.

Seit Charlies Verschwinden bewegen sich alle Figuren in einer Abwärtsspirale. Wenn man einmal zu weit gegangen ist, fällt der nächste Schritt nur noch halb so schwer. Wir Monster verdichtet sich mehr und mehr zu einem Film Noir, der sich am Schluss mit einem absurd-komischen Knall auflöst.

Wir Monster, Arte, 20.15 Uhr.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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