Adam Sandler bei Netflix:Wir spielen Cowboy und Indianer

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Als Anführer der Ridiculous 6 reitet Tommy "White Knife" Stockburn (Adam Sandler, dritter von rechts) auf der Suche nach ihrem entführten Daddy voran. (Foto: Ursula Coyote/Netflix)

Scheitern mit Ansage: Als ersten von vier Filmen hat Adam Sandler für Netflix "The Ridiculous 6" gedreht. Das Portal verspricht sich viel davon. Doch der Film ist nur eine misslungene Nummernrevue.

Von David Steinitz

Anfang des Jahres rannten dem Komiker Adam Sandler zwölf erboste Statisten vom Filmset seiner Western-Parodie The Ridiculous 6 davon. Die Nebendarsteller indianischer Abstammung waren wütend, weil Sandler sich in der Trash-Komödie über die Wurzeln ihrer Kultur lustig macht. Eine hübsche kleine Klatsch-Episode, die es kaum über die Meldungsspalten der wichtigen Hollywood-Fachmagazine hinaus geschafft hätte, wäre The Ridiculous 6 nicht der erste von vier Spielfilmen, die Adam Sandler exklusiv für den amerikanischen Streamingdienst Netflix dreht - als Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Koproduzent in Personalunion.

Im sehr gehässigen Hollywoodbetrieb, der noch gehässiger wird, wenn es um erfolgreiche Onlinekonkurrenten wie Netflix geht, die der alten Kinoindustrie das Wasser abgraben, war die Schadenfreude ob der flüchtenden Indianer denn auch sehr groß. Welches rassistische und sexistische Gesamtkunstwerk hatten sich die sonst so geschmackssicheren Programmplaner bei Netflix da nur eingekauft?

Bereits als die Firma ein paar Monate zuvor den Vier-Filme-Deal mit Sandler bekannt gegeben hatte, wurde heftig geunkt, was mit den Machern von Topserien wie House of Cards und Orange Is The New Black nur los sei, dass sie sich ausgerechnet auf diese Liaison eingelassen hatten.

Nun muss man den Ridiculous 6, die seit letztem Freitag in der Videothek des Onlinedienstes abrufbar sind, zunächst einmal vorausschicken, dass sie nicht ansatzweise für eine triste Trendwende im bisherigen Netflix-Geschäft stehen - ganz im Gegenteil. Der Wildwest-Slapstick und die drei weiteren Sandler-Produktionen, die ihm noch folgen werden, passen exakt in den Businessplan eines Unternehmens, das sehr genau weiß, was es tut.

Netflix veröffentlicht nur sehr sporadisch konkrete Zahlen zum Streamingverhalten seiner Kunden, aber wie beispielsweise das Filmbranchenblatt Variety berichtete, gehören alte Sandler-Klassiker wie Big Daddy oder Happy Gilmore zum Segment der besonders häufig angeklickten Ware. Dass Sandlers Kinokarriere zuletzt einer Achterbahnfahrt glich (mit ein paar Erfolgen, aber auch einigen sensationellen Flops) dürfte für die Netflix-Bosse weniger abschreckend als ein zusätzlicher Anreiz gewesen sein: Der Mann mag nicht mehr der Kassenmagnet sein, der er einmal war, aber als Heimvideo funktionieren seine Komödien bestens - und die schlingernde Erfolgskurve machte ihn vermutlich zu einem deutlich günstigeren Kooperationspartner, als er es noch vor zehn, fünfzehn Jahren gewesen wäre.

Mit dem Sandler-Deal setzt man auf eine Art mittelständische Film-Eigenproduktion

Während die großen Hollywoodstudios also einen sündteuren Blockbuster nach dem anderen durch die Kinos hetzen, und schon ein einziger Flop ganze Jahresbilanzen ruinieren kann, setzt Netflix mit Sandler wesentlich vernünftiger auf eine Art mittelständische Film-Eigenproduktion.

Im schlimmsten Fall sind die Sandler-Filme Hochglanz-Füllware für die eigene Videothek, die mit ebenfalls sehr erfolgreichen Streamingplattformen wie Amazon Instant Video oder Hulu zu konkurrieren hat. Dass Netflix parallel auch auf künstlerisch ambitioniertere Stoffe wie das Drama Beasts of No Nation setzt, steht dieser Strategie in keiner Weise im Weg.

Neben diesen ökonomischen Argumenten, die deutlich für The Ridiculous 6 sprechen, steht außerdem die Tatsache, dass Sandler, wenn er denn wirklich will, ein ausgezeichneter Schauspieler und Komödiant sein kann. Tragikomödien wie Spanglish vom Simpsons-Produzenten James L. Brooks oder Punch-Drunk Love vom mehrfach oscarnominierten Regisseur Paul Thomas Anderson beweisen das.

Der einzige Haken an der Sache, und damit kommen wir nun auch zum fertigen Film The Ridiculous 6: Wenn Sandler mal keine Lust hat, spürt man dies in jeder einzelnen Filmminute aufs Grausamste. Die Geschichte um sechs Brüder, die ihren entführten Daddy aus den Händen einer Desperado-Bande befreien wollen und dabei den Wilden Westen durchschütteln, ist leider: ziemlich fad. Trotz eines großen Star-Aufgebots - zum Beispiel Nick Nolte, Harvey Keitel und Steve Buscemi - ist diese Parodie des Westerngenres mehr eine misslungene Nummernrevue denn eine richtige Spielfilmkomödie. Regisseur Frank Coraci, der schon mehrere Sandler-Kinofilme inszeniert hat, lässt seine Cowboy-Indianer-Crew durch ein fades Repertoire an Pups-und-Pimmel-Witzen reiten, bis es nach zwei Stunden endlich vorbei ist.

Das ist ziemlich schade, sind Western-Persiflagen doch eigentlich idealer Comedy-Stoff, wie in Deutschland Der Schuh des Manitu mehr als erfolgreich bewiesen hat. Laut Variety war der Film jetzt ein Reinfall mit Ansage - denn wie die Zeitschrift herausgefunden haben will, wurde das Projekt schon im Drehbuchstadium von zwei großen Filmstudios dankend abgelehnt. Im Fall von The Ridiculous 6 muss sich Netflix also nicht die Frage gefallen lassen, warum es Adam Sandler sein musste - sondern warum es ausgerechnet dieser Sandler-Film sein musste.

The Ridiculous 6 , abrufbar bei Netflix.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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