Abseits von Netflix und Amazon:Schaut euch um!

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Vom deutschen Film bis Bollywood: Eine Entdeckungstour durch kleine, feine Streaming-Portale, die eine Alternative zu den bekannten Größen sind.

Von Philipp Bovermann, Kathrin Heinrich und Jakob Maurer

Eigentlich ist es viel schöner, einen besonderen Film nicht deshalb zu entdecken, weil es einem vom Algorithmus empfohlen wird - sondern weil man ihn selber beim Stöbern gefunden hat. Wo? Da gibt es für fast jeden Geschmack erstaunlich viele Möglichkeiten.

Mubi

Alleinstellungsmerkmal: Mubi füttert seinen Abonnenten portionsweise cineastisches Wissen an. Das Angebot ist übersichtlich kuratiert, den Rest macht einem die Mubi-Redaktion in einem täglichen Newsletter schmackhaft. Auch den brasilianischen Vampirfilm in Schwarz-Weiß.

Was gibt es noch für Inhalte? Ein filmjournalistisches Magazin namens Notebook liefert Hintergründe zu den Specials-Reihen, die sich einzelnen Themen oder Regisseuren widmen, außerdem News zu Filmfestivals und Essays, zum Beispiel zur "Metaphysik des Sitzens".

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Spike Lee, der gerade für Blackkklansman einen Oscar erhielt, hat mit Do the Right Thing einen Meilenstein des New Black Cinema geschaffen. Er erzählt einen Tag in einer schwarzen Nachbarschaft in Brooklyn, und zwar so lässig und so dicht, dass man das Gefühl hat, die Hot Dogs und die Eiscreme riechen zu können - bis es zu einem Ausbruch rassistischer Gewalt kommt.

Auf der Film-Nerd-Skala: Bei der Anmeldung solide 6 von 10 möglichen Punkten - mit abnehmender Tendenz. Je länger das Abo läuft, desto filmnerdiger wird man nämlich selbst.

Kosten: 8,99 Euro im Monat.

Realeyz

Alleinstellungsmerkmal: Realeyz hält den unabhängigen Film, der nicht von großen Studios finanziert wird, in all seinen Facetten hoch. Ganz besonders jungen deutschen Film, ob Festivalgewinner oder No-Budget-Produktion, Spielfilm oder Kurzfilm.

Was gibt es noch für Inhalte? Laut Selbstauskunft "hartes Genre und L'art pour l'art, Graffiti und Stillleben, Mumblecore und Cinéma vérité". Ein bunt gemischter Strauß sozusagen - der bei dieser Zielgruppe vermutlich auf einem schicken Nussholztisch in Berlin-Neukölln in einer Vase vom Flohmarkt stehen würde.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: In Europe, She loves erzählt Regisseur Jan Gassmann in halbdokumentarischen Szenen die Geschichten von vier Pärchen an den Rändern Europas. Er zeichnet ein feines Bild von den europäischen Gemeinsamkeiten und Unterschieden - in Sevilla, Tallinn, Dublin und Thessaloniki.

Filmstill aus Europe, she loves von Jan Gassmann. (Foto: Outside the Box)

Auf der Film-Nerd-Skala: 6 von 10. Man muss kein Hardcore-Cineast sein, um sich hier von einem berlinigen Kurzfilm unterhalten zu lassen.

Kosten: 5,50 Euro im Monat, die ersten 14 Tage gratis.

Trigon-Film

Alleinstellungsmerkmal: Klassiker des Weltkinos aus Lateinamerika, Asien, Afrika und dem östlichen Europa zeigt der Schweizer Filmverlag Trigon in seinem erlesenen Online-Kino. Das setzt nicht auf Masse, sondern stellt eine sorgfältig ausgewählte Kollektion mit 150 Filmen aus 56 Ländern bereit. Neben großen Namen wie Theo Angelopoulos, Yasuijro Ozu oder Andrei Tarkowski finden sich auch unbekanntere Perlen der Filmgeschichte.

Was gibt es noch für Inhalte? Die Seite führt eine kleine Anzahl an Filmlisten, die von Filmemachern kuratiert und mit persönlichen Notizen versehen wurden.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Das andere Ufer vom georgischen Regisseur George Ovashvili schildert in poetischen Bildern die Folgen des Kaukasuskriegs und folgt dabei dem traumatisierten Jungen Tedo auf der Suche nach seinem Vater.

Filmstill aus George Ovashvilis Das andere Ufer. (Foto: Trigon-Film)

Auf der Film-Nerd-Skala: 8 von 10. Für Perlentaucher.

Kosten: Einzelne Filme für 5 Euro, im Abo ab 6, Euro pro Monat.

Festivalscope

Alleinstellungsmerkmal: Wer das Festivaljahr von Rotterdam im Januar bis Venedig im August verfolgen will, ist bei Festivalscope richtig. Einzelne Beiträge aus aller Welt sowie teils ganze Wettbewerbe und Filmreihen finden sich im stetig wechselnden Programm. Manche sind kostenfrei, für die meisten zahlt man pro Film.

Was gibt es noch für Inhalte? Neben aktuellen Filmen finden sich Highlights vergangener Festivaleditionen aus Cannes & Co.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Am Strang vom singapurischen Filmemacher Boo Junfeng feierte 2016 in Cannes Premiere und erzählt eine Rachegeschichte um einen Henker in einem Hochsicherheitsgefängnis.

Auf der Film-Nerd-Skala: 10 von 10Für Festivalgänger, die genug von Schlangestehen und langer Anreise haben.

Kosten: Pro Film 4 Euro, teilweise gratis.

Filmfriend

Alleinstellungsmerkmal: Irgendwann war sie auch in der kleinsten Gemeindebücherei da, die DVD-Ecke. Jetzt folgt das Update: Filmfriend ist eine Video-on-Demand-Plattform für Bibliotheken. Mitglieder teilnehmender Institutionen können sich mit ihrer Kennung einloggen und das Angebot kostenlos nutzen. Bisher sind vorwiegend Großstädte beteiligt, doch das Projekt arbeitet daran, "auch kleinen Bibliotheken im ländlichen Raum die Teilnahme (...) zu ermöglichen." Zu streamen gibt es hauptsächlich Arthouse- und Festivalkino der vergangenen Jahre.

Was gibt es noch für Inhalte? Wie in der DVD-Ecke dürfen Kinderfilme nicht fehlen: Die Auswahl reicht vom Kleinen Muck bis Bibi Blocksberg.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Das einfühlsame Drama Short Term 12 von Destin Cretton zeigt die Oscar-Gewinnerin Brie Larson und den Freddy-Mercury-Darsteller Rami Malek vor ihrem Durchbruch im Zentrum einer bewegenden Geschichte um ein Jugendheim.

Auf der Film -Nerd-Skala: 5 von 10 - Filmnerds werden hier eher geboren.

Kosten: Mit Bibliotheksausweis kostenlos.

alleskino

Alleinstellungsmerkmal: Zwar nicht alles, wie der Name verspricht, versammelt alleskino, aber zumindest ziemlich viel deutsches Kino. Vom Film der Weimarer Zeit über Wim Wenders bis Sebastian Schippers Victoria gibt es hier einen umfangreichen Querschnitt durch die deutsche Filmgeschichte.

Was gibt es noch für Inhalte? DDR-Produktionen der DEFA, für die alleskino eine eigene Themenseite mit allerdings überschaubarer Filmauswahl angelegt hat.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Die deutsche Koproduktion Die Werckmeisterschen Harmonien vom ungarischen Filmemacher Béla Tarr ist ein Meisterwerk des entschleunigten Kinos und zieht mit 145 Minuten in nur 39 Einstellungen den Zuschauer in seinen Bann.

Auf der Film-Nerd-Skala: 6 von 10 - Für die, die den Glauben an den deutschen Film noch nicht verloren haben oder ihn wiederfinden wollen.

Kosten: Einzelfilm ab ein Euro, Abo ab fünf Euro pro Monat.

Flimmit

Alleinstellungsmerkmal: Der Charme des Dialekts. Flimmit ist die Streamingplattform des österreichischen Rundfunks. Der Schwerpunkt liegt dementsprechend auf österreichischem Film, aber auch europäischem.

Was gibt es noch für Inhalte? Querbeet ist alles dabei: Kino, Serien, Action, Drama, Comedy und was für Kinder sowieso.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Murer - Anatomie eines Prozesses zeigt, wie es sein konnte, dass der NS-Verbrecher Franz Murer, der "Schlächter von Vilnius", trotz erdrückender Beweislast 1962 freigesprochen wurde.

Filmstill aus Murer - Anatomie eines Prozesses. (Foto: Filmladen)

Auf der Film-Nerd-Skala: Hier wird unterhalten, aber mit Schmäh. 3 von 10 Punkten.

Kosten: von 7,50 Euro im Monat an.

Dekkoo

Alleinstellungsmerkmal: Ein "Alleinstellungsmerkmal" ist es oft leider auch heute noch, nicht der sexuellen Norm zu entsprechen. An queere Geschichten trauen sich die großen Studios nur selten ran. Um dafür trotzdem eine eigene Plattform zu schaffen, zeigt Dekkoo Filme aus der und für die Gay-Community.

Was gibt es noch für Inhalte? Der Blog der Seite stellt "some dope gay films" vor, denn: "we always use more of those".

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Der Dokumentarfilm Queens & Cowboys: A Straight Year on the Gay Rodeo war 2014 ein Festivalhit. Er stellt schwule Männer vor, die sich nicht abschütteln lassen, während sie beim Rodeo aller Welt zeigen, was für Cowboys sie sind.

Auf der Film-Nerd-Skala: 2 von 10 möglichen Punkten - und 6 von 10 hinsichtlich der Sixpack-Dichte.

Kosten: Umgerechnet knapp neun Euro im Monat.

Docsville

Alleinstellungsmerkmal: Docsville hieß ursprünglich mal Yaddo und war eine Streamingplattform für Dokumentarfilme mit internationalem Fokus. Viele der Filme kommen wie Postkarten aus aller Welt und erzählen Geschichten aus erster Hand. Seit Amazon Yaddo gekauft und ihm den schnittigeren Namen Docsville verpasst hat, kann man die Filme auch mit einem Amazon-Prime-Account kostenlos gucken.

Was gibt es noch für Inhalte? In der Reihe Why Women? laufen Filme mit einem Fokus auf weiblichen Perspektiven.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Der Mann mit der Kamera ist ein sowjetischer Experimentalfilm von 1929. Damals war Kino noch alles: Voodoo und Science Fiction zugleich - eine metaphysische Prothese für den denkenden und fühlenden Menschen.

Auf der Film-Nerd-Skala: Muss man ein Filmnerd sein, um sich für die Welt zu interessieren? Vermutlich eher nicht, daher 3 von 10 Punkten.

Kosten: 4,99 Euro im Monat.

Spuul

Alleinstellungsmerkmal: Die volle Ladung Bollywood: Wer im grauen Alltag Farbe, Musik, Gesang, Tanz und Emotionen vermisst, kann bei Spuul mal eben rechts ranfahren und auftanken.

Was gibt es noch für Inhalte? Neben Filmen mit Reizüberflutungs-Potenzial gibt es TV-Sendungen: In Yog Shivir bringt Indiens populärster Yoga-Guru Baba Ramdev den Massen seine Techniken bei.

Empfehlung aus dem aktuellen Angebot: Fans von Bollywood-Schönling Shah Rukh Khan kommen auf ihre Kosten: zum Beispiel in Dil Se von 1998 mit einer berühmten Tanzszene, die auf einem fahrenden Zug aufgenommen wurde.

Auf der Film-Nerd-Skala: 4 von 10 - für alle, die Eskapismus nötig haben.

Kosten: Umgerechnet ab 3,70 Euro pro Monat.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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