Die Stadt am Ende der Inselkette der Florida Keys feiert so ihren berühmtesten zeitweiligen Bewohner. Bis zu 150 "Look-Alikes" sind auch in diesem Jahr dabei - an diesem Sonnabend wird gewählt. Was ist an dem Spektakel dran? Vielleicht kann es Vorjahres-Gewinner Chris Storm, 56, aus Texas erklären.
sueddeutsche.de: Chris, wir erwischen Sie frühmorgens vor einem Angeltörn. Was wollen Sie aus dem Atlantik ziehen?
Chris Storm: Wir sind hinter der Großen Goldmakrele her.
sueddeutsche.de: Sehen Sie dabei nur so aus wie Hemingway oder fischen Sie auch wie er?
Storm: Er hat größeren Fischen nachgestellt. Meistens hat er Marline geangelt. Goldmakrelen sind viel kleiner.
sueddeutsche.de: Was macht Sie denn überhaupt zum perfekten Hemingway-Doppelgänger?
Storm: Ich habe die gleiche Statur, bin keine drei Zentimeter kleiner und so stämmig wie er. Ich trage einen weißen Bart, weiße Haare, habe buschige Augenbrauen . sueddeutsche.de: Und was ist mit den anderen Dingen, für die Hemingway berühmt war: jagen, trinken, boxen, raufen?
Storm: Ich boxe und raufe nicht. Aber ich war 14 Mal in Afrika, um zu jagen. Ich war auch in den USA auf der Pirsch. Ich gehe fischen.
sueddeutsche.de: Schreiben Sie auch?
Storm: Ja, ich habe tatsächlich geschrieben und etwas veröffentlicht - Kurzgeschichten.
sueddeutsche.de: Was ist denn bei Ihnen überhaupt anders?
Storm: Ich habe nicht vor, mein Leben so zu beenden wie er. Hemingway hat sich erschossen. Und ich habe nur zwei Mal geheiratet, nicht vier Mal wie Hemingway.
sueddeutsche.de: Was bringt erwachsene Männer dazu, an so einem Doppelgänger-Wettbewerb teilzunehmen?
Storm: Das Ganze ist mal Schönheitswettbewerb für dicke, alte Männer mit weißen Bärten genannt worden. Es ist reiner Spaß. Man kann auf der Bühne vor 600 johlenden Leuten eine Show abziehen. Auf der Straße fragen Wildfremde, ob sie ein Foto machen dürfen. Das ist sehr gut für dein Ego!
sueddeutsche.de: Und dann gibt es auch noch ein Bullenrennen.
Storm: Ja, aber das sind keine lebenden Stiere. Es sind Holz-Bullen auf Rädern und wir setzen die älteren Jurymitglieder darauf, die nicht mehr so gut laufen können. Dann schieben wir sie durch die Stadt.
sueddeutsche.de: Klingt aber etwas albern.
Storm: Ach, es macht Spaß! Alle sind auf der Straße und feiern. Deshalb gehen wird nach Key West.
sueddeutsche.de: Spaß haben - ist das alles?
Storm: Es ist ein großer Teil, aber die Hemingway-Doppelgänger-Gesellschaft sammelt auch Geld für Stipendien für Studenten.
sueddeutsche.de: Wie war das denn - ein Jahr als Hemingway-Doppelgänger?
Storm: Es macht berühmt. Es gab Artikel über meinen Sieg überall auf der Welt. Ich habe sogar in einer Zeitung in Saigon einen gefunden. Für einen Werbefilm bin ich drei Tage nach Barcelona geflogen worden.
sueddeutsche.de: Haben Sie sonst nichts zu tun?
Storm: Doch, doch, ich bin Investment-Manager.
sueddeutsche.de: Haben Sie sich deshalb für den etwas wilden Wettbewerb interessiert?
Storm: Mein Job kann auch aufregend sein, aber es ist natürlich keine gefährliche, körperlich schwere Arbeit. Ich bin vor sechs Jahren in den Wettbewerb hineingeraten, weil er mir wie eine lustige Angelegenheit erschien. Es sind immer 30 bis 35 Leute mit mir dort hin gefahren, um mich anzufeuern. Das war wie ein Familienausflug.
sueddeutsche.de: Was bedeutet Ihnen Hemingway?
Storm: Bevor all das in Key West anfing, hatte ich schon fast alle Werke von ihm gelesen. Er ist ein wundervoller Autor und ein guter Geschichten-Erzähler. Ich schätze seinen Stil. Er hat ein aufregendes Leben geführt.
sueddeutsche.de: Sie wollen gleich raus auf See. Denken Sie dort an Hemingways berühmteste Geschichte "Der alte Mann und das Meer"?
Storm: Klar, wie immer wenn ich hier unten bin. Mit den Freunden, die ich hier treffe, rede ich jeden Abend über das Fischen. Sie haben mir von einem Fang erzählt, den sie kürzlich angehakt in den Hafen schleppen wollten. Dabei sind sie von Haien angriffen worden. Das ist die gleiche Geschichte!