Vorläufige Entwarnung:Pille erhöht das Krebsrisiko nicht

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Eine bereits 1968 begonnene britische Studie zeigt, dass das Krebsrisiko durch die Anti-Baby-Pille nicht steigt. Frauen, die mit der Pille verhüten, haben offenbar sogar ein vermindertes Risiko, an Krebs zu erkranken.

Werner Bartens

Mehr als 300 Millionen Frauen weltweit haben sie bisher geschluckt. Doch seit das erste orale Kontrazeptivum, kurz: "die Pille", zu Beginn der 1960er-Jahre auf den Markt kam, gab es zahlreiche Debatten um das Verhütungsmittel.

1961 kam die erste Anti-Baby-Pille auf den Markt. Sieben Jahre später begann die Studie der University of Aberdeen. (Foto: Foto: AP)

Dabei ging es nicht nur um Fragen der sexuellen Freizügigkeit und Moral, sondern auch um mögliche Gesundheitsrisiken. Neben einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Thrombosen, Migräne und andere Beschwerden geriet die Pille immer wieder in den Verdacht, Krebs auszulösen.

Etliche Studien der vergangenen Jahrzehnte dokumentieren ein leicht erhöhtes Risiko für verschiedene Tumorarten. Eine umfangreiche Untersuchung aus Großbritannien kommt jetzt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Einnahme der Pille nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht ( British Medical Journal, online).

"Etliche Frauen, besonders solche, die schon vor vielen Jahren die erste Generation der Pille genommen haben, werden erleichtert auf unsere Ergebnisse reagieren und sich sicherer fühlen", sagt Philip Hannaford von der University of Aberdeen, der die Studie geleitet hat.

"Unsere Daten geben aber womöglich nicht die Erfahrungen aller Frauen wieder, die heute Kontrazeptiva nehmen. Schließlich werden sie teilweise anders dosiert, sind anders zusammengesetzt und haben daher ein anderes Risikoprofil als diejenigen Medikamente, die von Frauen in unserer Studie genommen wurden."

Daten seit 1968

Die am heutigen Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der schottischen Mediziner wurde bereits im Mai 1968 begonnen.

Damals wurden insgesamt mehr als 46.000 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 29 Jahren in die Untersuchung aufgenommen. Die Hälfte von ihnen nahm die Pille, die andere Hälfte nicht. Um die unterschiedliche Einnahmedauer der Teilnehmerinnen zu erfassen, summierten die Ärzte in ihrer Studie insgesamt 339.000 "Frauenjahre", in denen keine Pille genommen wurde - im Vergleich zu 744.000 "Frauenjahren" für die Gruppe derjenigen, die die Pille einnahmen.

Diese statistische Addition soll ein Maß für die Zahl der Teilnehmerinnen und den Zeitraum der Beobachtung sein und den Umfang der Untersuchung verdeutlichen. Da viele Frauen die Pille nach einigen Jahren absetzten, zogen die Wissenschaftler zwei weitere Datenbanken hinzu, um die Ergebnisse besser vergleichen zu können.

Nach Auswertung der Daten zeigte sich, dass Frauen, die mehrere Jahre die Pille genommen hatten, kein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen. Im Vergleich zu den Frauen, die keine oralen Kontrazeptiva verwendeten, lag die Zahl der Tumore bei denjenigen, die die Pille nahmen, insgesamt sogar niedriger.

Das Risiko war um zwölf Prozent in der Gruppe vermindert, die bereits 1968 in die Studie einbezogen wurde. Im Vergleich mit den Frauen aus der anderen Datenbank betrug die Risikominderung immerhin noch drei Prozent.

Außer bei den jüngsten Teilnehmerinnen ließ sich ein geringeres Krebsrisiko in allen Altersgruppen beobachten. Zudem traten bei Frauen, die die Pille nahmen, seltener Darmkrebs, Tumore der Gebärmutter und der Eierstöcke auf.

Nettobilanz positiv

Im Durchschnitt nahmen die Frauen in der Studie die Pille nahezu vier Jahre lang ein. Bei längerer Einnahmedauer verminderte sich das - unter den Pillennutzerinnen ohnehin schon erniedrigte - Risiko für Eierstockkrebs zusätzlich. Der positive Einfluss der Pille auf das Krebsrisiko ließ sich noch mindestens 15 Jahre, nachdem die Einnahme beendet wurde, statistisch nachweisen.

Lediglich das Risiko für Gebärmutterhalskrebs und Hirntumore stieg leicht an, wenn Frauen die Pille acht Jahre oder länger verwendeten. Die Untersuchung der Mediziner aus Aberdeen stellt den bisherigen Stand der Forschung nicht vollständig auf den Kopf.

Bislang galt es unter Krebsexperten als sicher, dass die Pille das Risiko für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Leberkrebs zumindest geringfügig erhöht. Dies wird durch die aktuelle Untersuchung auch nicht widerlegt. Ebenso war bekannt, dass einige Tumorarten wie Eierstockkrebs seltener bei Frauen auftreten, die die Pille nehmen.

Ob die Pille das Krebsrisiko insgesamt aber eher verstärkt, abschwächt oder unbeeinflusst lässt, galt als ungewiss. In dieser Hinsicht legen sich die schottischen Forscher nun eindeutig fest.

"Was das Krebsrisiko angeht, ist der mögliche Nutzen der Pille größer als der mögliche Schaden", schreiben die Mediziner. Da die Forscher wissen, dass es Dutzende Untersuchungen gibt, in denen der Pille in der Vergangenheit ein erhöhtes Krebsrisiko zugeschrieben wurde, schränken sie ihre Aussagen jedoch selbst ein: "Zumindest gelten unsere Befunde für die relativ gesunden britischen Frauen in unserer Studie."

© SZ vom 12.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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