US-Studie:Mäßiger Alkohol mäßigt Blutdruck

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Kontrolliertes Trinken scheint Herz und Gefäße zu schonen.

Werner Bartens

Männer, die an Bluthochdruck leiden, aber gern Wein, Bier oder Schnaps trinken, werden sich diese Nachricht vermutlich auf der Zunge zergehen lassen: Ihr Blutdruck wird durch moderaten Alkoholkonsum nicht erhöht.

Dies haben Untersuchungen von Ärzten der Harvard-Universität ergeben. In einer Studie an fast 12.000 Männern zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes durch regelmäßiges Trinken sogar etwas gemindert wurde (Annals of Internal Medicine, Bd.146, S.10, 2007).

Die Grenze für gemäßigtes Trinken wird für Männer in der Fachliteratur mit maximal zwei Drinks angegeben - ein Drink entspricht ungefähr einem 0,4-Liter-Glas Bier, halb so viel Wein oder einem Schnaps. Für Frauen liegt die Höchstmenge, ab der es gesundheitlich gefährlich werden kann, nur etwa halb so hoch.

,,Da exzessiver Alkoholkonsum den Blutdruck definitiv erhöht, wird Hochdruckpatienten häufig geraten, überhaupt nichts mehr zu trinken'', sagt Joline Beulens, die Erstautorin der Studie. ,,Unsere Ergebnisse zeigen hingegen, dass diese Einschränkung nicht nötig ist, wenn Männer kontrolliert und verantwortungsbewusst trinken.''

Es sei das erste Mal, dass speziell bei Männern mit Bluthochdruck untersucht wurde, wie sich moderater Alkoholgenuss auf ihr Risiko für Herzkreislaufleiden auswirke.

Die Ärzte aus Harvard analysierten Daten von Männern, die von 1986 bis 2002 ihre Trinkgewohnheiten und Lebensumstände dokumentierten. Insgesamt erlitten 653 der Männer einen Infarkt. In der Gruppe derjenigen, die täglich ein oder zwei Drinks zu sich genommen hatten, traten weniger Infarkte auf als bei denjenigen, die mehr tranken.

Gelegentliche Trinker, die nur zwei- oder dreimal in der Woche Alkohol zu sich nahmen, hatten kein geringeres Risiko für Herzerkrankungen als diejenigen, die abstinent blieben.

Kein Freibrief für Alkoholiker

,,Beim Thema Alkohol gibt es einen schmalen Grat zwischen Nutzen und Schaden'', warnt jedoch Judy O'Sullivan von der britischen Herz-Stiftung. ,,Deshalb sollten die Ergebnisse der Untersuchung nicht dazu verleiten, Alkohol als eine Art Medizin zu betrachten.''

Wer bisher abstinent gelebt habe, müsse nicht anfangen zu trinken, um seiner Gesundheit Gutes zu tun. Joline Beulens warnt ebenfalls davor, ihre Untersuchung als einen Freibrief für Alkoholiker fehlzudeuten. ,,Auch für Männer mit Bluthochdruck besteht kein Anlass, es jetzt zu übertreiben.''

Denn bereits wenn Männer drei oder mehr Drinks am Tag zu sich nehmen, steigt ihr Blutdruck und das Risiko für andere alkoholbedingte Krankheiten. Bluthochdruck betrifft allein in den USA ungefähr 65 Millionen Menschen, fast 20Millionen sind es in Deutschland. Wer an Hochdruck leidet, hat ein doppelt so hohes Risiko für Gefäßverkalkung und -verhärtung mit den möglichen Folgen Herzinfarkt und Schlaganfall.

Forscher aus Bordeaux

Frühere Studien haben gezeigt, dass mäßiger Alkoholkonsum das Risiko für diese Krankheiten vermindern kann. Verschiedene Erklärungen werden diskutiert. Einerseits erhöht Alkohol die Konzentration des ,,guten'' HDL-Cholesterins im Blut, das für den Abstransport von Fetten zuständig ist.

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Alkohol das Blut verdünnt und die Wände der Blutgefäße elastischer bleiben, wenn mäßig, aber regelmäßig Alkohol getrunken wird. All dies könnte dazu beitragen, dass die Adern nicht so schnell verkalken und sich zusetzen.

Es gibt allerdings auch Kritik an den Untersuchungen, die positive Wirkungen des Alkohols bestätigen und in denen um gesundheitlich unbedenkliche Grenzwerte für das Trinken gerungen wird. Dass nicht wenige Studien von Wissenschaftlern stammen, die in der Region um Bordeaux, im Chianti oder nahe des Napa Valley forschten, beweist zwar nicht, dass die beschriebenen segensreichen Effekte des Alkohols falsch sind.

Generell sind Beobachtungsstudien über Ess- und Trinkgewohnheiten jedoch von begrenzter Aussagekraft, da es zu viele weitere Einflüsse auf Herz und Kreislauf gibt. ,,Definitiv wird man den Zusammenhang zwischen Krankheit und Ernährung niemals aus einer Studie ableiten können'', sagt Victor Kipnis vom Nationalen Krebsinstitut der USA.

Schwer wiegt auch der Vorwurf, den der neuseeländische Mediziner Rod Jackson im Jahr 2005 in der Fachzeitschrift Lancet erhoben hat. Demnach hätten viele Forscher wissenschaftliche Standards missachtet, weil sie an die günstigen Folgen des Alkohols glauben wollten - und nicht weil sie eindeutige Beweise dafür hatten.

Beispielsweise seien beim Vergleich von gemäßigten Trinkern und Abstinenzlern in einigen Studien auch ehemalige Trinker zu den Abstinenzlern gezählt worden. Das habe die Statistik verzerrt, denn diese Abstinenzler hatten das Trinken aufgegeben, weil sie inzwischen über etliche Krankheiten klagten. ,,In keiner Dosis ist der Nutzen des Alkohols größer als der Schaden'', sagte Jackson entschieden. ,,Es gibt eben nichts umsonst.''

© SZ vom 3.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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