Die britische Höflichkeit ist sprichwörtlich - doch die Realität sieht anders aus. Zwar gilt das Völkchen der Ladies und Gentlemen immer noch als rücksichtsvoll, zuvorkommend und überaus anständig, doch eine Umfrage, die am Montag in London veröffentlicht wurde, spricht eine andere Sprache.
2.800 Erwachsene wurden für die Sendung "Tonight" des Fernsehsenders ITV1 befragt. 86,2 Prozent der Teilnehmer sagten, die Briten seien heute unhöflicher als vor zehn Jahren. Dabei sei vor allem ein Untergang der traditionellen Höflichkeitsrituale zu beobachten.
Schlangestehen ohne Mucksen, Kranken, Alten oder Schwachen einen Sitzplatz in der U-Bahn anbieten? Für die Briten offenbar keine Selbstverständlichkeit mehr.
Mit 56,5 Prozent erklärte mehr als die Hälfte der Befragten schlechtes Benehmen zu einem der Hauptprobleme des Landes. Dafür verantwortlich gemacht wurde vor allem die Fußballkultur mit ihren Hooligans.
Schuld sind Eltern, Promis, Hooligans
Als negative Vorbilder empfanden 75 Prozent die Fußballstars selbst, deren Manieren häufig zu wünschen übrig ließen. 15,9 Prozent gaben generell Prominenten die Schuld am Sittenverfall der Gesellschaft. Eine erstaunlich geringe Anzahl - 5,4 Prozent - sahen eine Verantwortung des Fernsehprogramms.
63,8 Prozent hingegen suchten die Ursache direkt an der Quelle: Sie machten das Verhalten der Eltern für den Verfall des guten Benehmens verantwortlich. Der eigene Mangel an Höflichkeit, besonders aber die fehlende Disziplin und Strenge bei der Erziehung der Sprösslinge ließen auch die Vorbildsfunktion der Eltern zweifelhaft erscheinen. Über 90 Prozent klagten an: Eltern vermitteln heutzutage keine Benimmregeln mehr.
Schlechtes Benehmen hat viele Gesichter. Spucken (27,6 Prozent) und Fluchen (20,2 Prozent) sind laut der befragten Briten die hässlichsten. Gesellschaftlich schon beinahe anerkannt, dennoch für viele Briten als unanständig geltend, ist das laute Telefonieren in der Öffentlichkeit.