Thema der Woche:Rot sehen

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Diese Woche ist Bundesligastart. Beim französischen Spitzenspiel Paris Saint-Germain gegen Olympique Marseille hagelte es Karten, insgesamt 14 gelbe und fünf rote. Im Streit danach geht es aber um etwas ganz anderes.

Von Christoph Leischwitz

Der völlig überforderte Schiedsrichter hatte schon zwölf gelbe Karten gezückt beim Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Olympique Marseille. Dann die Nachspielzeit, Getümmel am Mittelkreis: Tritte, Schubser, Beleidigungen. In der 97. Spielminute gab es noch zweimal Rot und zweimal Gelbrot - und in der 99. Minute flog der brasilianische Superstar Neymar vom Platz.

Der hörte gar nicht mehr auf zu schimpfen. "Rassismus", rief er, als er vom Platz ging. Später tippte er wütende Worte in sein Handy. Er sei beleidigt worden vom Gegenspieler Alvaro Gonzalez, das Wort "Affe" und noch etwas Schlimmeres sei gefallen. Alvaro kassierte am Sonntag keinen Platzverweis, Neymar schon - weil er ihm auf den Hinterkopf geschlagen hatte. Er war sehr wütend. "Das einzige, was ich bedauere, dass ich dieses A... nicht ins Gesicht geschlagen habe", schrieb er dazu. Fußballer sind Vorbilder. Neymar hat sich nicht wie ein Vorbild verhalten und wurde jetzt auch für zwei Spiele gesperrt.

Richtig ist aber auch: Sollte Alvaro wirklich etwas Rassistisches gesagt haben, ist das etwas anderes als ein Schubser oder eine missglückte Grätsche. Rassisten sagen, dass jemand wegen seiner Hautfarbe oder Herkunft weniger wert sei als andere. Das ist nicht nur totaler Quatsch, sondern auch extrem verletzend.

Viele Menschen reden derzeit über Rassismus: Weil gegen Geflüchtete gehetzt wird, Zuschauer in Fußballstadien schwarze Spieler beschimpfen oder Polizisten aus nichtigen Gründen ihre Waffe gegen Schwarze ziehen. Es ist bitter, dass es soviel Rassismus gibt. Andererseits: Es ist auch einfacher geworden, ihn anzuprangern. Sehr viele Menschen wollen, dass sich etwas ändert. Deshalb ist es wichtig, dass ein Superstar wie Neymar Alarm schlägt, wenn so etwas passiert. Denn: Viele unbekannte Spieler bekommen diese Aufmerksamkeit nicht. Einen blauen Fleck nach einem Foul kann man sehen. Eine rassistische Beleidigung sieht man zwar nicht, sie verletzt aber viel tiefer.

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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