Thema der Woche:Opas Chance

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Wird das Porträt von Erdoğan weggetragen? Oder hin? Illustration: Zhigang Zhang (Foto: N/A)

In der Türkei leben viel mehr junge Menschen als in Deutschland. Jeder Zweite ist dort unter 30 Jahre alt. Am Sonntag sind Wahlen in der Türkei. Gerade die jungen Türkinnen und Türken wollen den Wechsel. Es könnte knapp werden für Dauerpräsident Erdoğan.

Von Raphael Geiger

Wer hat die Macht in einem Land? In Deutschland sind wir daran gewöhnt, dass wir darüber alle vier Jahre neu entscheiden dürfen. Jedenfalls alle über 18. Das war nicht immer so. Früher gab es einen König oder einen Kaiser. Der hat geherrscht, lebenslang, einfach nur weil er aus einer bestimmten Familie kam.

Am Sonntag sind Wahlen in einem Land am Rand von Europa, der Türkei. Dort ist seit 20 Jahren derselbe Mann an der Macht: Recep Tayyip Erdoğan. Und das nicht, weil er ein König ist. Er ist Präsident, stammt aus einer armen Familie. Er hat es ganz nach oben geschafft. Anfangs, weil er dafür gesorgt hat, dass es den Leuten besser ging. Deswegen mögen ihn viele noch immer.

In der Türkei leben viel mehr junge Menschen als in Deutschland. Jeder Dritte kennt nur Erdoğan als Präsidenten, sechs Millionen dürfen zum ersten Mal wählen. Gerade die Jungen wollen jetzt einen Wechsel. Erdoğan nämlich hatte, je länger er an der Macht war, immer weniger Lust auf andere Meinungen. Er ließ sich einen großen Palast bauen und seine Gegner ins Gefängnis sperren. Je länger er allein das Sagen hatte, desto schlechter ging es dem Land. Die Löhne sind niedrig, die Preise außer Kontrolle: Lebensmittel und Strom kosten das Doppelte wie vor einem Jahr. Jeder fünfte junge Mensch in der Türkei hat keinen Job. Und obendrauf kommt die Wut über fehlende Hilfe vom Staat nach dem schweren Erdbeben im Februar.

Jetzt wählen sie ihn vielleicht ab, denn das geht auch in der Türkei. Das ist einer der großen Unterschiede zu Kaisern und Königen. Dann käme ein neuer Präsident, einer mit schwierigem Namen: Kemal Kılıçdaroğlu. "Kilitschdarolu" spricht man das aus. Er verspricht den Menschen mehr Geld und Freiheit - sie sollen wieder offen sagen dürfen, was sie denken.

So richtig neu ist Kılıçdaroğlu übrigens nicht. Er ist 74, fünf Jahre älter als Erdoğan. Beide haben bereits Enkelkinder. Welcher Opa gewinnt?

© SZ vom 13.05.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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