Thema der Woche:Ernst beiseite

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(Foto: Yuxing Lee)

Die Bundesjugendspiele gibt es schon seit 72 Jahren, sie sind also opaalt. Jetzt werden sie umgekrempelt und modernisiert. In der Grundschule soll Spaß dann Gold sein, Gewinnen nur noch Silber. Über die feine Linie zwischen Wettkampf und Wettbewerb.

Von Christoph Leischwitz

Dreimal werfen, dreimal springen, einmal rennen - jeder kommt dran, dauert den ganzen Tag. Das sind die Bundesjugendspiele, Disziplin Leichtathletik. Sie sind im Opaalter, seit 72 Jahren mehr oder minder unverändert. Da hatten schon immer viele was zu motzen. Dem Mathe-Nerd-Mädchen, das π bis zur elften Kommastelle aufsagt, ist das zu anstrengend. Der Junge aus der ersten Reihe versteht nicht, warum das wichtig sein soll. Die Sportskanone verdreht die Augen: "Da steht man die ganze Zeit an. Bewegen tun wir uns vielleicht eine Minute." Bundesjugendspiele waren schon immer auch Wartespiele.

Für die Besten gibt es eine Ehrenurkunde, da prangen der Bundesadler und eine Unterschrift des Bundespräsidenten - so war ausgerechnet dieses Sportevent der erste Kontakt zur großen Politik. Die Politiker damals wollten, dass Kinder körperlich "ertüchtigt" werden. Dann die Siegerurkunden, die Urkunden zweiter Klasse. So viele Sieger gibt es sonst nie wieder. Für alle anderen: die Teilnahme-Urkunde. Klingt alles bisschen piefig. War es auch. In der Grundschule finden dieses Jahr zum letzten Mal Jugendspiele nach altem Modell statt. Von 2024 an soll es nicht mehr um Wettkampf gehen, sondern um Wettbewerb. Bitte? Darum, "sich zu bewegen, Freude zu haben und sein Bestes zu geben", heißt es vom Veranstalter. Spaß haben bekommt jetzt also die Gold-, gewinnen nur noch die Silbermedaille?

Das werden auch wieder viele blöd finden. Das Problem: Sport ist nun mal beides, Spaß und Wettkampf zugleich. Manchmal Funiño, manchmal Fußball-WM. Die Politik will jenes System, von dem sie glaubt, dass es die Kinder am besten aufs Leben vorbereitet. Aber vielleicht ist ja das genau das Problem mit diesen Spielen: dass nur Erwachsene darüber reden, was für Kinder am besten ist? Wer versucht, Spaß zu haben und sein Bestes zu geben, hat auf jeden Fall schon viel richtig gemacht.

© SZ vom 01.07.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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