Thema der Woche:Die Kraftkicker

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Türkgücü hat schon zwei Fanklubs, aber noch kein eigenes Stadion. (Foto: imago images/foto2press)

Bald könnte ein ganz besonderer Verein in die dritte Liga aufsteigen: Türkgücü München wäre der erste Klub im Profifußball, der nicht von Deutschen gegründet wurde. Warum ist das von Bedeutung?

Von Christoph Leischwitz

Türkgücü heißt so viel wie: türkische Kraft. Als der Verein vor 45 Jahren gegründet wurde, gab es noch kaum sogenannte Migrationsvereine. Die Münchner Türken waren einer der erfolgreichsten: Sie spielten für ein paar Jahre in der dritten Liga und nahmen viele gute Kicker auf, die gerade erst nach Deutschland gekommen waren und die Sprache noch gar nicht beherrschten. Der bekannteste war Cacau, der 2010 mit der deutschen Nationalmannschaft zur WM fuhr.

Der Verein hat also schon einiges für die Integration von Menschen aus anderen Ländern getan. Integration bedeutet: Menschen in der Gesellschaft mitmachen zu lassen - und zwar gleichberechtigt. Viele finden, dass Fußball dafür perfekt geeignet ist. Denn egal, wie fremd man sich ist: Beim Sport lernt man sich kennen, die Regeln sind überall auf der Welt die gleichen, und selbst ohne Worte kann man sich auf dem Platz verständigen.

Doch 2001 ging der SV Türkgücü pleite und verschwand für ein paar Jahre in der sechsten Liga. Jetzt hat Hasan Kivran das Kommando übernommen. Er ist 53 Jahre alt und hat früher für den Verein gespielt. Heute ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Und er hatte folgende Idee: Einen türkischen Verein im deutschen Profifußball gibt es noch nicht, dabei wäre es doch für die vielen türkischstämmigen Menschen im Land total interessant, diesen anzufeuern? Vor vier Jahren beschloss Kivran deshalb: Ich werde Präsident, mache den Namen kürzer (aus Türkgücü-Ataspor wurde Türkgücü) und schaffe ein richtiges Profiteam.

Er ist damit auf einem guten Weg. Zweimal ist die Mannschaft schon aufgestiegen, jedes Mal kaufte Kivran danach noch bessere Spieler. Jetzt ist Türkgücü Erster in der Regionalliga und noch zwölf Spiele vom Aufstieg in die dritte Liga entfernt. Da warten dann große Klubs wie Kaiserslautern oder auch der TSV 1860 München zum Derby.

Auch das Vereinswappen sieht jetzt anders aus. Die rote, türkische Flagge macht nur noch eine Hälfte der Fläche aus, die andere besteht aus einer weiß-blauen, bayerischen Raute. Soll bedeuten: Der Verein ist mittlerweile genauso türkisch wie bayerisch, eine erfolgreiche Mischung aus beidem. Nur ein Problem gibt es: Türkgücü fehlt eine Stadion-Heimat. In München hat der Verein nicht mal einen eigenen Trainingsplatz. Das hält ihn aber nicht davon ab weiterzukicken - mit voller Kraft.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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