Speisetrends:Häppchen à la mode

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Moden kommen und gehen, das ist in der Küche nicht anders als auf dem Laufsteg. Eine kleine Auswahl an Speisetrends der vergangenen 50 Jahre.

Oft wird dabei Altes einfach nur neu aufgewärmt oder anders genannt. Beliebt ist es auch Geschmacksrichtungen neu zu kombinieren. Wem es schmeckt? Das ist dabei oft Nebensache.

Einst Konservierungsmethode, heute Trend: Sushi. (Foto: Foto: iStockphoto.com)

Sushi

Sushi hat eigentlich nicht das Zeug zum Trend, denn die japanischen Häppchen bestehen aus Zeug, das Europäern verdächtig vorkommt: saurer Reis, Seetang, roher Fisch. Ursprünglich war Sushi eine Konservierungsmethode: Der Fisch wurde gesalzen, in Reis eingewickelt und in ein Erdloch vergraben. Mittlerweile ist Sushi vor allem eine Profilierungsmethode, um Coolness und Wellness zu demonstrieren.

Sushi gelten als ideale leichte Mahlzeit für die Mittagspause gestresster Städter, denn man kann schnell ein paar Maki, Sashimi und Nigiri zwischen die Kiefer schieben und dann ruckizucki weiterarbeiten. Dagegen ist nichts zu sagen, außer vielleicht, dass man etwa 20 Euro ausgeben muss, um dann doch nicht satt zu sein.

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Rucola

Wird demnächst vom Babyspinat abgelöst: Starsalat Rucola. (Foto: Foto: ddp)

Mit einem Kraut, das sich Schmalblättriger Doppelsame oder in breiterer Version Gartensenf-Rauke nennt, ist kein Staat zu machen. Das klingt nach muffiger Biobude, aus der man zwar ein gutes Gewissen mitbringt, aber sicher keine italienische Lebensart. Das fiel den Chefeinkäufern der Handelskontore Ende der Neunziger auf, und sie stellten das Bitterblatt sauber gebündelt als Rucola ins Regal.

Modisches Grünzeug wie Feldsalat und Chicoree verwies Rucola als probater Begleiter zu stillem Wasser auf die hinteren Plätze, den saisonalen Angriff des Bärlauchs als Pesto wehrte er ebenfalls problemlos ab. Einen Gegner aber hatte er unterschätzt: den Babyspinat. Der soll das nächste große Ding in der Salatbar sein. Fortsetzung nächste Seite ...

Balsamico

Früher war Essig einfach nur Essig. So wie der Brühwürfel der Brühwürfel war und Maggi Maggi. Doch als den Deutschen der Essig auf ihrem Salat irgendwann zu sauer wurde und das Joghurtdressing ihnen zu den Ohren rausfloss, hörten sie vom Aceto Balsamico. Mit ihm, so vernahmen sie, bespritze der Italiener seit Jahrhunderten Salat, Parmesankäse und sogar Erdbeeren. Besonders, wenn der Italiener in Modena oder der Region Emilia-Romagna zu Hause war.

Da räumten die Deutschen sofort ihre Mayonnaise-Tuben und Billigöl-Kanister aus der Speisekammer und tauschten matte Essigflaschen gegen silbern glänzende Balsamicozerstäuber ein. Schmeckte früher ihr Braten nach Jägersauce und der Salat nach Knorr - so schmeckte nun alles nach Balsamico. Das war italienisch, schick, gesund, aber irgendwann: ziemlich langweilig. Fortsetzung nächste Seite ...

Toast Hawaii

Lange war ja der Käseigel die Nummer eins deutscher 50er-Jahre-Buffets, vor Partyspießchen und Pumpernickel. Dann brachte Koch Clemens Wilmenrod die Küche und Mägen mit einer klebrigen Neuheit durcheinander: Toast Hawaii. Zwar schmeckte die Stulle mit Käse, Schinken und Dosen-Ananas schon immer seltsam, aber um guten Geschmack ging es ja auch nicht. Sondern darum, Sehnsucht zu essen.

Die dekadente Paarung zweier Aufschnitte mit exotischem Obst machte dem Gast klar: Auf diesem beigen Cordsofa wird dir gerade die weite Welt kredenzt. Kein Wunder, dass Toast Hawaii besonders in der DDR beliebt war, dort politisch korrekt "Karlsbader Schnitte" genannt. Die regionale Adaption wagte später auch Gerhard Polt, der in Bayern Leberkäs Hawaii einführen wollte - ohne Erfolg.

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Chai

Wenn man einst einen schicken Tee trinken wollte, so hat man sich einen Earl Grey gebraut. Wegen der Queen und dem Pferderennen von Ascot. Da fühlte man sich total aristokratisch. Später musste es südafrikanischer Rooibos sein. Weil Earl Grey nur was für Spießer war. Und jetzt ist der Chai dran. Der Chai ist ein Schwarztee, meist mit Milch. Man könnte also auch Schwarztee mit Milch zu ihm sagen. Das klingt aber doof. Also sagt man Chai, denn das sagen ja auch die Menschen im Fernen Osten, wenn sie Tee meinen.

Und Asien ist im Moment cool, England und Amerika weniger. Nicht nur, weil Amerikaner schrecklichen Eistee aus Papptüten trinken, sondern auch wegen Afghanistan. Übrigens: Auch die Afghanen trinken gerne Chai. Was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass es den Chai mittlerweile in Coffeeshops in extra großen Pappbechern zu kaufen gibt? Fortsetzung nächste Seite ...

Smoothies

Fast 50 Jahre dauerte es, bis es die Idee, dass man Obst auch gut püriert für teuer Geld in Flaschen verkaufen kann, über den Atlantik schaffte. Bereits 1960 warf der Diabetiker Stephan Kuhnau in New Orleans Äpfel, Banane und Kiwis in rauen Mengen in den Mixer und erfand so die Mode der Quetschfrucht zum Trinken. Seit etwas mehr als einem Jahr ist Convenience in Obstfragen auch hierzulande noch etwas konvenienter geworden.

Die mundgerechten Ananasstücke in Plastikschalen wurden aus den Supermarktregalen geräumt und durch pürierte Früchte in Fläschchen ersetzt, die auch Zahnlosen zupass kommen. US-Smoothie-Fans haben derweil einen echten Saftkrieg angezettelt. Für sie ist der Supermarktsaft ein Plagiat. Ein echter Smoothie ist für sie nur jener, der in einer Bar frisch aus dem Mixer kommt und echt smooth, also cremig aussieht. (SZ vom 29.02.2008)

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