Silvaner:Comeback der Spitzenklasse

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Was kommt, wenn der Riesling-Boom geht? Als möglicher neuer Exportschlager: der Silvaner. Denn zum Riesling gibt es kaum eine bessere Weißwein-Alternative, meint Stephan Reinhart

Wer nicht gerade Franke oder Rheinhesse ist, zuckt vor einem Silvaner eher zusammen anstatt zusammenlaufendes Mundwasser zu verarbeiten. Das Problem: Der Silvaner (vor allem außerhalb Deutschlands auch Sylvaner geschrieben) besitzt ein wenig attraktives "herb-erdiges" Image und zu wenig Eigenaroma, um sich mit voller Blume sofort einschmeicheln zu können. Ein Silvaner ist eben kein Sauvignon blanc. Eher hätte es umgekehrt sein können, denn im württembergischen Remstal war der modische Weltstar Sauvignon blanc vor hundert Jahren bereits unter dem irrigen Namen Muskat-Sylvaner populär.

Noch bis vor 50 bis 100 Jahren war der Silvaner eine der wichtigsten Rebsorten in Deutschland. Endlich zeichnet sich sein Comeback ab. (Foto: Foto: studentenkantorei.de)

Dass eine der noch vor 50 bis 100 Jahren wichtigsten Sorten im deutschsprachigen Raum heute immer mehr an Boden verliert (und weltweit nie eine Rolle spielen durfte), ist angesichts ihrer in Wahrheit sehr subtilen, milden und ausgewogenen Art verwunderlich. Genau diese Eigenschaften machen den Silvaner zu einem idealen Speisenbegleiter. Bei fachgerechtem Ausbau erinnert sein zumeist dezentes Bukett an Äpfel, Birnen, Quitten, Nüsse, Honig, Wiesenkräuter, Gras und Heu.

Würziger Sorgloswein oder noble Beerenauslese?

Noch dazu ist der Silvaner ein faszinierend präziser Bote des Bodens, dem er entstammt. Weil sich der Boden wie die Winzerkunst in den Weinen festschreibt, handelt es sich beim Silvaner um eine äußerst facettenreiche, vielseitig einsetzbare Rebsorte, die eher eine Art Wein hervorbringt, als dass sie über ein bestimmtes Geschmacksprofil verfügen würde. So kommen feinfruchtige und kräuterwürzige Silvaner mit feiner Rasse vom Buntsandstein (Westliches Franken) wie vom vulkanischen Boden (Kaiserstuhl); vollmundige, fruchtig-elegante vom Muschelkalk (im Maindreieck zwischen Würzburg, Randersacker und Volkach, dem Wonnegau und der Pfalz); schwere, kraftvolle Expressionisten vom Keuper (Steigerwald, Pfalz); salzig-mineralische mit Atem beraubend klarer Fruchtpräzision aus den Hochlagen des Südtiroler Eisacktals; filigrane, feinnervige mit reifer Frucht von elsässischen Schieferböden.

Die ausbaubedingte stilistische Bandbreite ist ebenfalls hoch: Vom leichten, würzigen Sorgloswein zum reuelosen Zechen über vornehme Prädikatsweine bis hin zum reichhaltigen Grand Cru zum Essen oder gar zu noblen Beeren- und Trockenbeerenauslese zu Meditationszwecken gelingt dem Silvaner praktisch alles - wenn man ihn adäquat behandelt.

In Österreich, wo die natürliche Kreuzung aus Traminer mit Österreich Weiß wahrscheinlich vor hunderten von Jahren ausgelesen wurde, spielt der Silvaner auf knapp 50 Hektar heute keine Rolle mehr. Dafür eine umso bedeutendere in Deutschland, wo sich mit 5383 Hektar die mit Abstand größte Silvaner-Fläche weltweit befindet - noch, denn zwischen 1999 und 2005 sind hier 1500 Hektar zumeist alter Reben gerodet worden.

Das Comeback

Franken, das auf 1247 Hektar eine stattliche Zahl hochklassiger Silvaner erzeugt und sich wie keine andere Region zum Silvaner bekennt, gilt als das bedeutendste Anbaugebiet der Sorte, während in Rheinhessen auf einer doppelt so großen Fläche bis auf glücklicherweise immer zahlreicher werdenden Ausnahmen aus dem Hügelland kaum Weine von großem Format erzeugt werden. Auch die einstmals bedeutende Pfalz hat sich des Silvaners weit gehend entledigt (noch 900 Hektar), während die Elsässer noch etwa 2000 Hektar vor sich haben, um ihren einstmals stolzen (auf Schieferböden auch heute mancherorts noch brillierenden) Sylvaner vergessen zu machen. Im Wallis wie auch in Südtirol gibt es einige Silvaner-Teppiche mit köstlichen Ergebnissen, doch viel mehr Raum bleibt der Sorte nicht zur Rehabilitation.

Möglich, dass sich dies bad ändert, denn nicht nur "Riesling-Götter" wie Ernst Loosen (Dr. Loosen/Mosel und J.L. Wolf/Pfalz) haben den Silvaner als exportfähigen Deutschschlager wieder entdeckt. Auch junge Winzer und Winzerinnen wie Tina Pfaffmann (Frankweiler/Pfalz), Boris Kranz (Ilbesheim/Pfalz) oder Eva und Matthias Seyler (Dengler-Seyler, Maikammer/Pfalz) setzen auf den lange Verschmähten. Die Sylvaner aus dem Eisacktal zählen sogar jetzt schon wieder zu den besten Weißweinen ganz Italiens - und zu den schönsten Silvanern weltweit. Die fränkischen, badischen und einige rheinhessischen Silvaner spielen indes schon längst in der höchsten Weißweinspielklasse.

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DIE BESTEN SILVANER-ERZEUGER

Baden Dr. Heger (Ihringen), Schwarzer Adler Franz Keller (Vogtsburg-Oberbergen), Salwey (Vogtsburg-Oberrotweil)

Franken Rudolf Fürst, Josef Walter, Stich (alle Bürgstadt), Fürst Löwenstein (Kreuzwertheim), Knoll, Bürgerspital, Juliusspital, Staatlicher Hofkeller (alle Würzburg), Schmitt's Kinder, Störrlein (Randersacker), Schloss Sommerhausen (Sommerhausen), Zehntof Theo Luckert (Sulzfeld), Graf von Schönborn (Volkach-Hallburg), Max Müller I (Volkach), Horst Sauer, Rainer Sauer, Michael Fröhlich, Egon Schäffer (alle Escherndorf), Weltner (Rödelsee), Johann Ruck, Hans Wirsching (beide Iphofen), Fürstlich Castell'sches Domänenamt (Castell), Winzerhof Stahl (Auernhofen)

Rheinhessen Wagner-Stempel (Siefersheim), Kühlig-Gillot (Bodenheim), St. Antony, Hey zu Herrnsheim (beide Nierstein), Dreißigacker (Bechtheim), Seehof, Wittmann (beide Westhofen), Gutzler (Gundheim), Battenfeld-Spanier (Hohen-Sülzen), Milch (Monsheim), Keller (Flörsheim-Dalsheim), Königsmühle-Würtz (Gau-Odernheim)

Pfalz Schumacher (Herxheim), Odinstal (Odinstal), Dengler-Seyler (Maikammer), Rolf und Tina Pfaffmann (Frankweiler), Kranz (Ilbesheim), Dr. Wehrheim (Buirkweiler), Ökonomierat Rebholz (Siebeldingen), Siegrist (Leinsweiler)

Elsass Marie-Claire et Pierre Borès (Reichsfeld)

Südtirol Kuenhof Peter & Brigitte Pliger (Brixen), Köfererhof Günther Kerschbaumer, Pacherhof (Vahrn), Abbazia di Novacella (alle Vahrn), Haderburg (Salurn), Eisacktaler Kellerei (Klausen)

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