In einer Epoche, in der immer mehr Menschen von Celebrity-Kult und "Superstar"-TV zu überdimensionierten Ansprüchen ermuntert werden, erscheinen die klassischen Erfolgsfaktoren Talent, Fleiß und Glück zweitrangig.
Im Agape International Spiritual Center im Südwesten L.A.'s kann man sonntags Kurse besuchen mit Titeln wie "Manifestiere deinen Seelenverwandten". Der Zentrumsgründer Michael Bernard Beckwith erklärt in "The Secret", dass jemand, der ein Ziel anvisiere, sich nicht mit Gedanken über den Weg dorthin belasten solle, weil das Universum sich, sobald es diese seine Gedankenwellen empfange, auch schon entsprechend umgestalte. Eine alte Pfadfinderregel? Nein, im Film sieht man die Hip-Hop-Version von Meister Propper aus Aladins Wunderlampe schlüpfen und sagen: "Dein Wunsch ist mir Befehl."
Das Ganze ist so odd, dass man sich fragt, warum Millionen sich davon begeistern lassen. Unterpriviligierte, weil sie auf Besserung hoffen; und Schauspielerinnen wie Nicole Kidman, weil sie so den außerordentlichen Ruhm durch ihre positive Persönlichkeit auch rechtfertigen können.
Zurück zu naivem Aberglauben
Aber selbst der satte Mainstream will mehr. Das alte Biedermeieridyll vom eigenen Heim, dem Auto und der ewigen Liebe erfährt durch Sendungen wie "The fabulous life of..." ein Upgrade: mein Pool, mein Privatjet, meine Topmodel-Freundin heißt es jetzt. Auch Bob Proctor, der sich nicht entblödet, mitzuteilen, dass er sich selbst küssen möchte, weil er sich so lieb hat, animiert die Massen, noch größere Luftschlösser zu bauen. Er steht in der Tradition des "New Thought Movement", einer Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand und die Macht des Geistes betont.
Soziologen sehen die Abwendung von der protestantischen Arbeitsethik und eher intellektuellen Problemlösungen zurück zu naivem Aberglauben als Reaktion auf eine stets komplexer werdende Welt. Wenn schon Menschen in Talkshows berichten, wie die Kommunikation mit Engeln ihnen einen Scheck bescherte, warum sollte sich der desorientierte Mensch in der Post-Postmoderne nicht vorstellen, dass Wellen aus seinem Kopf in die Lotterietrommel eindringen und die richtigen Kugeln fallen lassen?
Die Initiationsriten der modernen Geheimbünde verkaufen die raffinierten Pseudo-Weisen teuer: Chris Howard gehört zu einer Clique von Gurus, die sich auf ihren Websites gegenseitig empfehlen, wissend, dass sich auch die Kundschaft nur multipliziert. Auf seiner Website sendet der selbsternannte Trainer der nächsten Erfolgsgeneration Grüße von Richard Bransons Privatinsel und lädt ein paar Klicks weiter nach Hawaii ein, zu seinem Seminar "Billionaire-Bootcamp".
"I cancel that!!!"
Na ja, nicht ganz, ohne Flug und Unterkunft kostet der Spaß 10995 US-Dollar. Meine Friseurin war in diesem Jahr dabei und musste, mit Blumengirlande behangen, auf dem fiesen Teppich eines Konferenzsaals herumkrabbeln, "Ich tue es!" rufend.
In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft lassen die Leute all ihre Ersparnisse bei solchen Selbstverbesserungstrips. Sie arbeiten hart für wenig Lohn und können sich nicht vorstellen, dass eine Geschäftsidee mit einem vernünftigen Businessplan aussichtsreicher ist - und dass zu einem Investment neben Chancen auch Risiken gehören.
Beim nächsten Termin mit mir murrte Paula: "Ich hätte für das Geld lieber meine Oberschenkel absaugen lassen." Dann zeichnete sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft und brüllte "I cancel that!!!" - eine kleine Unterhaltung mit dem Protokollisten des Universums, den sie wissen lassen wollte, dass er den letzten Satz bitte streichen solle, damit der kritische Ausspruch nicht wie ein Bumerang der Karma-Polizei zurückschlage: Reflexion und Intellektualität? Goodbye. Albert Einstein hätte bemerkt: "Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher."
Die besten Absichten meiner Friseurin haben nichts genutzt, ihr Haarschnitt auf meinem Kopf war eine Katastrophe. Da darf man sauer sein und eine rauchen.